128 JNos Deische Reich und seine einjelnen SElieder. (April 1. 2.)
Provinzen durch Oesterreich-Ungarn veranlassen sollten, hatte Serbien, wie
von allen Mächten anerkannt wurde, in unbefriedigender Weise geantwortet.
Hierfür liegt der Beweis schon darin, daß sich die Mächte in den letzten
Tagen zu einer erneuten Demarche in Belgrad entschlossen haben. Serbien
wich einer befriedigenden Antwort stets dadurch aus, daß es auf seine
vermeintlichen Rechte nicht verzichten könne, weil die Mächte selbst der
Annexion ihre Zustimmung nicht gegeben hätten. Da sich Rußland an
die Spitze der friedlichen Einwirkung auf die serbische Regierung gestellt
hatte, trat die kaiserliche Regierung in einer den traditionellen freund-
schaftlichen Beziehungen zu Rußland entsprechenden Weise an letzteres mit
dem Gedanken heran, einer weiteren Aktion in Belgrad dadurch eine festere
Basis zu geben, daß die Mächte einzeln durch Noten auf einen ihnen von
Oesterreich-Ungarn zu erkennen zu gebenden Wunsch ihre Sanktion zur
Abänderung des Art. 25 des Berliner Vertrages aussprechen sollten. Es
sollte damit lediglich Serbien der Vorwand entzogen werden, seine Un-
nachgiebigkeit mit dem Hinweis auf die Haltung der Mächte gegenüber
der Annexion zu begründen. Die Folge des Gedankenaustausches über
die deutsche Anregung zwischen Berlin und Petersburg war die Zustim-
mung der russischen Regierung zu Deutschlands wohlgemeintem Vorschlag.
Dessen durchaus freundschaftlichen Charakter und rein friedliche Tendenz
richtig erkannt und bewertet zu haben, ist ein unbestreitbares Verdienst
des russischen auswärtigen Ministers. Daß dieser mit seiner Auffassung
recht hatte, dafür spricht, daß nach einigem Zögern auch die anderen Re-
gierungen sich dem deutschen Gedanken angeschlossen haben. Ein Grund
zu Verdächtigungen Deutschlands oder Rußlands kann in dem ganzen
Vorgang also absolut nicht gefunden werden. Es hat, wie wir bereits
früher festgestellt haben, keine Spur von „Drohungen" stattgefunden, und
es konnte also auch keinen Drohungen nachgegeben werden.“
1. April. Herr v. Heydebrand.
In der deutschen Presse wird darauf aufmerksam gemacht, daß die
Wendung der konservativen Partei, die in der Erklärung des Herrn v. Nor-
mann an den Nationalliberalenführer Bassermann am 24. März zum Aus-
druck kam, von dem Landrat a. D. und Rittergutsbesitzer auf Klein-
Tschunkawe Herrn Ernst v. Heydebrand und der Lasa, dem einflußreichsten
Mann im Bunde der Landwirte, dirigiert werde.
1. April. Die „Freifinnige Zeitung“ berechnet, daß für die
Erbschaftsbesteuerung im Plenum des Reichstags auf 202 Stimmen,
also eine absolute Mehrheit, zu rechnen sei, nämlich: 25 Frei-
konservative, 7 Reformer, 17 wirtschaftliche Vereinigung, 54 Na-
tionalliberale, 15 freisinnige Vereinigung, 28 freisinnige Volks-
partei, 7 deutsche Volkspartei, 43 Sozialdemokraten und 6 Wilde.
2. April. (Reichstag.) Präsident Graf Stolberg verkündet
Ferien bis Dienstag den 20. April.
2. April. (Sachsen-Weimar.) Der weimarische Landtag
nimmt das neue Landtagswahlgesetz mit 20 gegen 12 Stimmen an.
Danach bleiben 10 Vertreter der Großgrundbesitzer und der „Tausend-
talermänner“; es kommen hinzu 5 neue Abgeordnete aus den Berufs-
ständen (je einer für die Universität Jena, die Handelskammer, die Hand--
werkerkammer, die Landwirtschaftskammer und die Arbeiterkammer). Im