Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

148 HNos Vesche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 26.) 
26. April. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Beratung 
des Titels Ministergehalt im Kultusetat. 
Finanzminister Freiherr v. Rheinbaben: „Ich bin heute als 
Staatsminister hier erschienen, um das Interesse zu bekunden, das das 
Staatsministerium an Ihren Verhandlungen nimmt. Die beiden Vor- 
redner haben direkt gefragt, wer angesichts des Fehlens des Kultusministers 
die Verantwortung für sein Ressort trägt. Sie werden mit mir der 
Meinung sein, daß einem Manne, wie dem Minister Holle gegenüber, der 
infolge der Einsetzung seiner ganzen Kraft für sein Amt das kostbarste 
Gut, die Gesundheit, verloren hat, es geboten ist, an eine endgültige Regelung 
seiner Nachfolgeschaft erst dann heranzugehen, wenn jede Hoffnung aus- 
geschlossen ist, daß er sein Amt wieder übernimmt. Sie werden mit mir 
darin einverstanden sein, daß die Herren vom Kultusministerium und vom 
Finanzministerium die einzelnen Fragen hier erörtern und beantworten. 
Die ministerielle Verantwortung für das Kultusministerium über- 
nimmt das gesamte Staatsministerium.“ 
Auf die Klagen des Abgeordneten Marx (Ztr.) über die Behand- 
lung der katholischen Orden antwortet Ministerialdirektor v. Chappuis: 
Die Klagen über die Ordensgesetzgebung sind alt. Diese Gesetzgebung ist 
nicht eine Eigenart Preußens, sondern ähnliche Bestimmungen finden sich 
in andern großen deutschen Bundesstaaten, auch in Oesterreich-Ungarn 
und Spanien. Wenn also Staaten mit überwiegend katholischer Bevöl- 
kerung das für nötig halten, kann Preußen auch daran festhalten. (Sehr 
richtig!) In der Frage der Ordensniederlassungen ist zwischen der preußi- 
schen Regierung und der päpftlichen Kurie in den achtziger Jahren ein 
modus vivendi geschaffen. Darauf hat der Minister in der Beantwortung 
der Resolution vom 27. März 1903 hingewiesen. Nur unter der Voraus- 
setzung, daß der konfessionelle Friede nicht gestört werde, seien Ordens- 
niederlassungen zu gestatten. Abgesehen von dieser Voraussetzung sehe sich 
die Regierung außerstande, der Resolution Folge zu geben. Der in den 
achtziger Jahren zwischen der päpstlichen Kurie und der Regierung ge- 
schaffene modus vivendi gilt noch heute. 
Der Abgeordnete Eickhoff ifrs. Vp.) und D. Hackenberg ( nl.) 
bringen den Fall Mahling als der üblichen Besetzung der Lehrstühle an 
den Universitäten nicht entsprechend zur Diskussion. 
Darauf antwortet Unterstaatssekretär Dr. Wever: Das Recht der 
Berufung der Professoren steht nicht den Fakultäten, sondern der Krone 
zu, die dieses Recht auch durch den Minister ausüben lassen kann. 
Selbstverständlich legt der Minister höchsten Wert darauf, von den 
Fakultäten bei der Besetzung der Professuren beraten zu werden. Auch 
im Falle Mahling war es nicht anders. Ich habe zu erklären, daß 
die Unterrichtsverwaltung den Professor Simons ganz außerordentlich 
schätzt. Aber sie muß sich unter allen Umständen die Freiheit der Ent- 
schließung darüber vorbehalten, ob sie den Fakultätsvorschlägen folgen 
will, oder ob sie pflichtmäßig der Krone andere Vorschläge machen soll. 
Im Falle Mahling sprachen gewichtige Gründe dafür, daß die Unter- 
richtsverwaltung entgegen dem Vorschlag der Fakultät Mahling vor 
Simons den Vorzug gab. Für diese Entschließung war maßgebend, 
daß bereits an Stelle zweier Professoren der positiven Richtung liberale 
Persönlichkeiten zu Nachfolgern gewählt waren. Diese Wahl hat schon 
im vorigen Jahre zu lebhaften, und zum Teil erregten Dedatten in 
diesem Hause geführt. Es kam hinzu, daß in Marburg ein Professor 
für neutestamentliche Exegese aus der liberalen Richtung gewählt wurde.
	        
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