Das Veeusche Reich unb seine einzelnen Glieder. (Oltober 2. 3.) 327
2. Oktober. (Preußen.) Bei der Landtagsersatzwahl im
Wahlbezirke Hameln wird Bürgermeister a. D. Hausmann-Lauen-
stein (nl.) gewählt.
3. Oktober. (Bayern.) Bei der Enthüllung eines Denkmals
in Helmstadt zur Erinnerung an die Verwundung des Prinzen
Ludwig im Jahre 1866 hält dieser eine längere Rede über die
Ursachen der Niederlage Bayerns und über die Lage der Deutschen
in Oesterreich. Ueber letzteren Gegenstand sagt er folgendes:
Der Grund des Kampfes im Jahre 1866 war die großdeutsche
Idee. Wir wollten den Bund auf föderativer Grundlage. Der Krieg
entschied gegen uns. Was war die Folge dieser Niederlage der großdeutschen
Idee für die Deutschen im Reiche? Dank der Opferwilligkeit der deutschen
Fürsten, die für die Gemeinsamkeit gar manche Vorrechte hingaben, war
dem deutschen Volke eine glänzendere Gegenwart beschieden als je zuvor.
Aber um so unheilvoller gestaltete sich das Schicksal der Deutschen in
Oesterreich, unserer Nachbarmonarchie. Von Deutschland, zu dem sie von
jeher gehörten, seitdem es eine deutsche Geschichte gibt, mit Gewalt los-
gerissen, waren die Deutschen in Oesterreich nicht mehr imstande, die leitende
Stelle, die sie in der ganzen Monarchie inne hatten, aufrechtzuerhalten.
Sie verloren zunächst Ungarn. Bedrängt in verschiedenen Königreichen
des Landes, da wo sie mit einer großen Anzahl fremdsprachiger Bevöl-
kerung verbunden waren, wurden sie von einer Stelle in die andere ge-
drückt, und sogar in rein deutschen Ländern gerieten sie in eine nichts
weniger als leichte Stellung. Es war das ja ganz natürlich, denn, wenn
Oesterreich-Ungarn ebensoviele Jahrhunderte, als jetzt Jahrzehnte her sind
seit dem Gefecht bei Helmstadt, über vierhundert Jahre, seit 1437, als
Kaiser Albrecht II. den Thron bestiegen, mit kurzen Unterbrechungen an
der Spitze Deutschlands gestanden hatte, mußte durch das gewaltsame
Hinaustreiben Oesterreich-Ungarns aus Deutschland die Herzschlagader des
Deutschtums in Oesterreich-Ungarn unterbunden werden. Das fortwährend
Oesterreich zufließende deutsche Blut kam nicht nach Oesterreich-Ungarn,
und die Deutschen sind dadurch in eine schwere, man möchte fast sagen
trostlose Lage versetzt worden. Was ist da zu tun? Meiner Ansicht nach
bleibt den Deutschen in unserer Nachbarmonarchie nichts anderes übrig,
als was allen, die nicht im Deutschen Reiche sich befinden und mit andern
Nationen zusammenleben, übrig bleibt, nämlich daß sie fest zusammen-
halten, eins bleiben, Streitigkeiten, die ja unvermeidlich sind, zurückhalten
und sich vertragen. Ich möchte hier noch etwas anderes dazu sagen: sie
müssen trachten, treue Staatsbürger und tüchtige, hervorragende Menschen
zu sein. Dann wird es ihnen wieder gelingen, die Stellung einzunehmen,
die ihnen zukommt. Aber etwas dürfen sie nicht tun. Sie dürfen durchaus
nicht über die Grenzen schielen. Das ist Hochverrat und eine Schädigung
aller guten staatstreuen Deutschen in Oesterreich--Ungarn. Es ist auch nicht
zulässig, daß von seiten des Deutschen Reichs in die Verhältnisse unserer
Nachbarmonarchie eingegriffen wird. So wie wir es uns verbitten, daß
das Ausland sich in unsere Geschäfte mischt, so hat auch Oesterreich-Ungarn
das Recht, es sich zu verbitten, daß wir hineinschauen. Ich möchte das
Wort König Ludwigs I. wiederholen, das er in der Befreiungshalle nieder-
legte, die er fünfzig Jahre nach der Schlacht bei Leipzig eröffnet hat, und
das ich vor zwei Monaten zu den bayerischen Turnern sprach: „Mögen
die Deutschen nie vergessen, wodurch die Befreiungskriege notwendig wurden