Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

536 Schweiz. (März 31.— April 20.) 
31. März. Internationaler Arbeiterschutz. 
Das „Schweizerische Bundesblatt“ macht bekannt, daß entsprechend 
der internationalen Vereinbarung über das Verbot der Nachtarbeit der in 
der Industrie beschäftigten Frauen und über das Verbot der Verwendung 
von weißem (gelbem) Phosphor nur die folgenden Staaten in der vor- 
geschriebenen Zeit die Ratifikationsurkunden in Bern hinterlegt haben: 
1. Für das Verbot der Nachtarbeit der Industriearbeiterinnen: Deutsch- 
land, Oesterreich, Ungarn, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxem- 
burg, die Niederlande, Portugal und die Schweiz; 2. für das Verbot der 
Verwendung von weißem Phosphor: Deutschland, Dänemark, Frankreich, 
Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz. 
4. April. (Luzern.) Einführung der Verhältniswahl. 
In einer Volksabstimmung beschließt das Luzerner Volk mit starker 
Mehrheit die Einführung der Verhältniswahl. Diesem Entscheid mißt man 
in der ganzen Schweiz grundsätzliche Bedeutung bei. 
9. April. (Bern.) Neue Heeresorganisation. 
Unter dem Vorsitz von Bundesrat Müller sind die höhern Truppen- 
führer versammelt, um zur neuen Heeresorganisation und zur Frage der 
Abänderung des Infanteriegewehres Stellung zu nehmen. Die Haupt- 
neuerung ist die Herabsetzung der Zahl der Divisionen von acht auf sechs 
unter Aufhebung der Armeekorpsverbände, die Einführung von Gebirgs- 
brigaden, die Zuteilung von Maschinengewehren zu den Infanteriebrigaden 
und die Einführung der schweren Artillerie des Feldheeres. Was die zweite 
Frage anbelangt, so handelt es sich bloß um einige Abänderungen an der 
lesigen Waffe, um sie dem Gebrauch der neuen Munition anzupassen. Die 
erforderlichen Kosten sind auf ungefähr 18—20 Millionen Franken ver- 
anschlagt. 
16. April. Heeresetat. 
Die schweizerische Armee hatte in Auszug und Landwehr am 
1. Januar 1909 einen Effektivbestand von 206986 Mann. Der General- 
stab setzt sich zusammen aus 148 Offizieren; die vier Armeekorps zählen 
zusammen 172877 Mann, dazu kommen noch 17952 Mann Festungs- 
truppen und 16000 Mann stehen zu weiterer Verwendung zur Verfügung 
des Bundesrats. 
20. April. (Bern.) Internationale Gotthardbahnkonferenz. 
Es ist eine Verständigung über alle Programmpunkte er- 
zielt worden. Die Delegierten haben den Entwurf einer neuen Verein- 
barung unterzeichnet, dessen Annahme sie ihren Regierungen empfehlen 
werden. Den Inhalt gibt die „Nordd. Allg. Ztg.“ folgendermaßen: „Die 
bisherigen, zwischen Deutschland, Italien und der Schweiz in den Jahren 
1869, 1871, 1878 und 1879 abgeschlossenen Gotthardbahnverträge sollen 
außer Wirksamkeit treten und durch einen neuen Vertrag ersetzt werden. 
Es konnte davon abgesehen werden, in den neuen Vertrag aus den alten 
Verträgen diejenigen Bestimmungen zu übernehmen, die sich auf den Bau, 
die Betriebseröffnung, die Einzahlung der Subventionen und ähnliche Ver- 
hältnisse bezogen und ihre ursprüngliche Bedeutung inzwischen verloren 
haben. Dagegen sind die Verpflichtungen allgemeiner Natur, die in den 
alten Verträgen hinsichtlich der Betriebsführung und Tarife der Gotthard- 
bahn auferlegt waren, im wesentlichen beibehalten und auf das Gesamtnetz 
der schweizerischen Bundesbahnen ausgedehnt worden. Insbesondere gilt 
dies von der Verpflichtung, die bisher nur für die Gotthardbahn bestand, 
 
	        
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