Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

604 Türtei. (Dezember 27.—30.) — Egzypten. (Januar 5.—Februar 7.) 
Hilmi Pascha möge freiwillig demissionieren, wenn er nicht in 
offener Kammersitzung fallen wolle. 
27. Dezember. (Arabien.) Infolge der Verschlimmerung 
der Lage in Jemen, wird der Wali, der zugleich Oberbefehlshaber 
ist, abgesetzt und durch den Wali von Adrianopel ersetzt. 
W. Dezember. Der Großwesir Hilmi Pascha reicht das Ent- 
lassungsgesuch des Ministeriums ein. 
30. Dezember. Der bisherige Botschafter in Rom Hakki Bey 
übernimmt die Bildung eines neuen Ministeriums. 
2. Egypten. 
5. Januar. (Kairo.) Ein politischer Vortrag über die Lage 
Egyptens. 
Lutfi Bei, der Redakteur des arabischen Blattes Al Garidah und 
Führer der egyptischen Volkspartei, hält im Theater Abbas vor einer mehr- 
tausendköpfigen Zuhörermenge einen politischen Vortrag über die augen- 
blickliche Lage Egyptens. Er schildert, wie sich die Lage infolge der Ver- 
fassungsbewegung in der Türkei verändert habe, und gelangt zu dem Er- 
gebnis, daß dem egyptischen Volk über kurz oder lang eine Verfassung 
gewährt werden müsse. Das Volk, das bisher in Dunkelheit getastet habe 
und sklavisch beherrscht worden sei, schreite dem Ideal und dem Fortschritt 
entgegen. Sehr heftig geht Lutfi Bei gegen die englische Besetzung vor. 
Seiner Ansicht nach habe sie dem Lande nichts Gutes gebracht, im Gegen- 
teil, sie sei nur schädlich gewesen, indem die Lebensweise des kleinen Mannes 
eher teurer als billiger geworden sei, ohne daß sein Einkommen sich ver- 
hältnismäßig erhöht habe. Er tadelt das unhöfliche Benehmen der Eng- 
länder und insbesondere der englischen Beamten alten Eingeborenen gegen- 
über, die in den Händen der Engländer ein bloßes Werkzeug seien. Er 
fordert auf, gegen die englische Herrschaft unausgesetzt Einspruch zu er- 
heben, um ähnlich wie in der Türkei zu einer Verfassung und zu einem 
Parlamente zu gelangen. Der Redner hat sehr starken Beifall. 
Ende Januar. (Kairo.) Die Studentenbewegung an der 
Univerfität Al Azhar nimmt bedenkliche Formen an. 
Täglich werden im Gezirehgarten in Anwesenheit von Tausenden 
von Studenten Reden gehalten. Am 28. Januar zogen 6000 Studenten 
vor das Schloß des Khediven unter dem Rufe: „Es lebe der Khedive und 
die Verfassung!“ Mehrere Studenten wurden verhaftet. An dem Aus- 
stand sind ungefähr 13000 Studenten beteiligt. Sie verlangen Gleich- 
stellung mit den Schülern anderer Religionsschulen, die Vermehrung der 
Ulemgs, ferner die Wahl eines Rektors, eines Scheichs und der Verwal- 
tungsratsmitglieder der Universität durch Ulemas statt durch Beschluß des 
Khediven. Die nationalistische Presse steht der Studentenbewegung sym- 
pathisch gegenüber. 
7. Februar. Nationale Wünsche. 
Der gesetzgebende Rat verhandelt über die Verfassungsfrage. Fast 
alle Mitglieder treten für die Einführung einer ägyptischen Abgeordneten- 
 
	        
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