Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

428 Fraukrei. (Juli 22./24. — August 4.) 
verknüpfende Pakt sofort in seiner ganzen Kraft wieder auflebt, sobald die 
gemeinsamen Interessen in Frage kommen. Die gestrige Rede Lloyd Georges 
sei Lsel wert wie die Entsendung eines Kreuzers in die marokkanischen 
Gewässer. 
22.— 24. Juli. (Fontainebleau.) Durch Brandstiftung an 
drei Stellen werden in dem berühmten Walde beinahe 1000 ha des 
Bestandes vernichtet. 
24. Juli. Der Berliner Vertreter des „Figaro“, Herr 
Bonnefon, schreibt über die Marokkoverhandlungen: 
Die Periode des Bluffs ist vorüber. Man wird jetzt auf dem 
Boden des Abkommens von 1909 verhandeln, und es handelt sich 
darum, es nicht für nichtig zu erklären, sondern es zu ersetzen. Auch der 
Wille des Kaisers wird sich in seiner ganzen Bestimmtheit fühlen lassen. 
Er hat Schiffe nach Agadir mit dem ausdrücklichen Befehle geschickt, sich 
dieses Gebietes nicht zu bemächtigen, und wenn er auch seinen Ministern 
freie Hand ließ, aus dieser Lage das Beste zu machen, so hatte er doch, 
glaube ich, im Augenblick seiner Einschiffung nicht die Absicht, irgendeinen 
der Verträge oder der Abkommen zu kündigen, die Deutschland mit seiner 
Zustimmung unterzeichnet hat. Ein Austausch von Gebieten wird unter 
solchen Umständen nur eine Ergänzung oder Krönung der wesentlichen 
Verhandlung sein, die auf die Wiederherstellung des Abkommens von 1909 
abzielt. 
25. Juli. Blättermeldungen aus London zur Wiederaufnahme 
der Marokkoverhandlungen in Berlin. 
Das englische Kabinett stelle sich auf Grund der vom Botschafter 
Sir Francis Bertie aus Paris mitgebrachten Informationen auf den Stand- 
punkt, daß es Frankreich freistehe, ein Terrain für die endgültige Ver- 
ständigung mit Deutschland über die marokkanische Frage herzugeben, daß 
jedoch die Abtretung des Kongoküstenstrichs, von der angeblich bei den 
deutschen Forderungen die Rede war, nicht in Frage kommen dürfe, mit 
Rücksicht auf Englands koloniale Interessen. Falls hingegen das Terrain 
für die Verständigung sich an der Grenze von Kamerun finden sollte, würde 
sich England dieser Lösung nicht widersetzen unter der Bedingung, daß die 
Abtretung sich in vernünftigen Grenzen halte und daß Frankreich ein 
breiter Küstenstreifen, wenn nicht die ganze Küste, bleibe, sowie daß der 
belgische Kongo nirgends das deutsche Kamerungebiet berühre. 
W6. Juli. Pessimistische Wendung in der Marokkofrage. 
Die Politiker glauben zu wissen, Deutschland halte nun an seinen 
weitgehenden Forderungen fest, weil es nicht wolle, daß England an- 
nehmen könne, es sei vor dessen Drohungen zurückgewichen, und England 
würde sich seinerseits gezwungen glauben, seinen Warnungsworten Taten 
folgen zu lassen, deren Folgen unabsehbar wären. 
28. Juli. Zum Chef des Generalstabs und Oberbefehlshaber 
der Ostarmeen im Kriegefalle wird der 59jährige General Joffre 
ernannt. 
4. August. Der Dank des Sultans von Marokko. 
El Mokri, der Vertreter des Sultans von Marokko, überbringt 
dem Ministerpräsidenten Herrn Caillaux das Großband des vom Sultan
	        
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