232 Das Dentsqhe Reiqh unb seine einzelnen Slieder. (Mai 28.)
Die VI. Kommission, der die Entwürfe am 27. Februar 1912 über-
wiesen worden sind, hat über ihre Beratungen durch den Abg. Freiherrn
von Richthofen (ul.) einen sehr umfangreichen schriftlichen Bericht erstanutet.
§ 1 lautete in der Vorlage:
„Die Reichsangehörigkeit wird durch die Staatsangehörigkeit in einem
Bundesstaat erworben und erlischt mit ihrem Verlust. Elsaß-Lothringen
gilt im Sinne dieses Gesetzes als Bundesstaat.“ Die Kommission hat
folgende Fassung vorgeschlagen: „Deutscher ist, wer die Staatsangehörigkeit
in einem Bundesstaate oder die unmittelbare Reichsangehörigkeit besitzt.“
Als § 1 ist folgendes formuliert:
„Elsaß--Lothringen gilt im Sinne dieses Gesetzes als Bundesstaat.
Die Schutzgebiete gelten im Sinne dieses Gesetzes als Inland.“ Von dem
Abg. Herzog und der Wirtschaftlichen Vereinigung ist die Wiederherstellung
des § 1 in der Fassung der Vorlage beantragt. § 1 wird entgegen dem
Antrage Herzog in der Fassung der Kommission gegen die Stimmen der
Rechten angenommen.
28. Mai. (Elsaß-Lothringen.) In der Ersten Kammer
wird ein Antrag beraten, der sich gegen die Ausnahmegesetze richtet.
Der Antrag lautet wörtlich: 1. Die Kammer verurteilt aufs schärfste
die die Interessen des Landes schädigenden und die Weiterentwicklung der
Verfassung hemmenden Umtriebe einzelner Politiker und Journalisten. Sie
kann aber nicht anerkennen, daß in deren Bestrebungen der Meinungsaus-
druck der elsaß-lothringischen Bevölkerung oder auch nur eines erheblichen
Teiles derselben zu finden ist. Sie hält vielmehr die Bedeutung, die ihnen
vielfach — namentlich außerhalb Elsaß-Lothringens — beigelegt wird, für
übertrieben. 2. Die Kammer ist der Ansicht, daß es dem gesunden Sinne
der großen Mehrheit der Bevölkerung und dem Kaiserlichen Statthalter, zu
dem die Kammer volles Vertrauen hat, auch ohne außerordentliche Maß-
nahmen gelingen werde, die von einer kleinen Gruppe ausgehenden Stö-
rungen der fortschreitenden Entwicklung des Landes zu überwinden. 3. Die
Kammer ersucht daher die Regierung, von der Weiterverfolgung ihrer Ab-
sicht, Ausnahmebestimmungen bezüglich der Preß- und Vereinsgesetze herbei-
zuführen, Abstand zu nehmen, zumal dieselbe auch in den loyal gesinnten
Kreisen der Bevölkerung eine große Erregung hervorgerufen habe. — Die
namentliche Abstimmung über die einzelnen Absätze des Antrages hatte
das Ergebnis der Annahme des Absatzes 1 mit allen gegen die Stimmen
der Abgg. von Arnim und Blumenthal, Absatz 2 wurde mit allen gegen
die Stimmen der Abgg. Laband, von Arnim, von Moßner und Fritsch,
Absatz 3 mit allen gegen die Stimmen der Abgg. Laband, von Arnim,
von Moßner, Fritsch und Blumenthal, der ganze Antrag mit allen gegen
fünf Stimmen angenommen. Ferner wurde einstimmig ein Antrag an-
genommen, der Amnestierung der wegen Verletzung der Wehrpflicht bis zum
Jahre 1890 Bestraften verlangt.
28. Mai. (Berlin.) Eine Anzahl Persönlichkeiten aus den
verschiedensten Städten Deutschlands treten zu einer deutsch-schwedischen
Vereinigung zusammen, deren Zweck es ist, die gegenseitigen Be-
ziehungen zwischen Deutschland und Schweden auf dem Gebiete der
geistigen und wirtschaftlichen Kultur zu pflegen und zu fördern.
v Zu gleicher Zeit ist in Stockholm eine schwedisch-deutsche Vereinigung
mit dem gleichen Ziele von bekannten und einflußreichen schwedischen Per-
sönlichkeiten ins Leben gerufen worden.