282 Das Beuische Reich und seine rinzelnen Glieder. (Juni 30.—Juli Anfang.)
außerordentlichen Wehrbeitrag wird gegen die Stimmen der Polen und
Elsässer angenommen, der Gesetzentwurf über Aenderungen im Finanz-
wesen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Polen. Die Ab-
stimmung über den Entwurf eines Besitzsteuergesetzes ist namentlich.
Die endgültige Annahme erfolgt mit 280 gegen 63 Stimmen, 29 Abgeord-
nete enthalten sich der Abstimmung. Die Verkündung des Resultates wird
mit Bravorufen von verschiedenen Seiten ausgenommen. Auch die Novelle
zum Reichsstempelgesetz wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten,
Polen und Elsässer endgültig genehmigt.
Reichskanzler Dr. v. Bethmann Hollweg: Lassen Sie mich im
Anschluß an die Worte des Herrn Präsidenten auch meinerseits die Ueber-
zeugung aussprechen, daß dank der gemeinsamen Arbeit der verbündeten.
Regierungen und des Reichstages ein großes Werk getan ist. Gewiß wird
kaum einer unter uns sein, der nicht an den Finanzgesetzen manches anders
wünschen möchte. Mancher im Lande draußen wird Mängel und Härten
darin sehen, wie die neuen Lasten verteilt worden sind. Aber trotz aller
Mängel an einzelnen Teilen des Werkes: das ganze wird der Nation zum
Heile dienen! Die großen und schweren Opfer, dic die Staaten und die
einzelnen bringen, werden getragen für die höchsten Güter der Nation.
Dem Frieden und der Ehre des Landes sichern wir in der gesamten waffen-
fähigen Mannschaft Deutschlands eine feste Schutzwehr. (Bravo!) Mit
der Betätigung des festen Entschlusses, für die Sicherheit des Reiches Gut
und Blut herzugeben, können wir hellen Blickes und mit gestärkter Zu-
versicht auf Frieden und, wenn es sein müßte, auf siegreiche Abwehr in die
Zukunft sehen. Das Bewußtsein hiervon möge jetzt nach langer und auf-
opfernder Arbeit die Herren in ihre Heimat geleiten. —
Darauf erfolgt Vertagung bis 20. November 1913.
30. Juni. (Münster i. W.) Der Historiker Professor Georg
Erler f. 64 Jahre alt.
Ende Juni und Anfang Juli. Preßurteile zur Erledigung
des Wehrgesetzes nebst Deckungsvorlagen.
1. Die „Norddeutsche Allgem. Ztg.“"“ verkündet die Zufriedenheit
mit der „starken und einmütigen Volksstimmung“, von der „die Heeres-
forderung getragen war“: „Die Reichsregierung hat die Freude, ihre
Wehrvorlage in vollem Umfang Gesetz werden zu sehen. Wir begrüßen es
besonders im Interesse der Grenzprovinzen, daß es gelungen ist, auch die
Bewilligung der drei umstrittenen Kavallerieregimenter durchzusetzen. Weit
schwieriger als die Erledigung der Wehrvorlage war die Feststellung der
Kostendeckung. Aber auch hierbei hat der Reichstag eine feste Stütze in der
Opferwilligkeit des Volkes gehabt, die sich ohne Ueberschwang, aber klar und
kraftvoll bekundete. Der Gedanke des Wehrbeitrags wurde sofort mit fast
einmütiger Zustimmung ausgenommen. Nicht umsonst sind die Erinnerungen
unserer Geschichte aufgerufen worden. Sie haben überall den Entschluß ge-
kräftigt, auch in der Hergabe materieller Güter es den Bätern nachzutun.
Wenn sich der Reichstag bei der Deckung der laufenden Ausgaben von den
Vorschlägen der Regierung entfernt hat, so ist doch das Kernstück des Besitz-
steuerkompromisses aus dem Regierungsentwurf hervorgewachsen. Das Ziel,
für die Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht finanzielle Vorsorge zu
treffen, ist erreicht, und so darf man auf das Gesamtergebnis der schwierigen
Verhandlungen über das MWehrgesetz und die Deckung seiner Kosten mit Be-
friedigung blicken. Ein gutes Stück Arbeit ist getan, möge es dem Vater-
lande zum Segen sein!“