Las Dernisqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 22. 23.) 29
22. Januar. Deutschlands Außenhandel 1912.
In der Einfuhr 10292,1 Millionen Mark an Waren und 380,9
an Edelmetallen (gegen 9706,8 und 301,3 im entsprechenden Zeitraum 1911),
in der Ausfuhr 8888,6 an Waren und 142,7 an Edelmetallen (gegen 8099,2
und 118,3 im entsprechenden Zeitraum 1911).
23. Januar. (Reichstag.) Fortsetzung der zweiten Beratung
des Etats des Reichsamts des Innern: Reichsschulkommission.
Ein sozialdemokratischer Antrag verlangt die Umwandlung der
Reichsschulkommission in ein selbständiges Reichsamt für das
Schul= und Bildungswesen. — Abg. Schulz (Sd.) begründet ihn:
Daß ein Reichsschulamt, eine Zentralstenle“ für die Schulangelegenheiten im
Deutschen Reiche, notwendig ist, braucht eigentlich gar nicht mehr bewiesen
zu werden, weil wir schon die Reichsschulkommission haben; das ist schon
eine Zentralstelle. Aber: was für eine! Es ist ein unzulänglicher Versuch
mit unzulänglichen Mitteln am untauglichen Objekt. Ich will nur kurz
zusammenfassend feststellen, daß die Reichsschulkommission in ihrer jetzigen
Existenz, in ihrer jetzigen Zusammensetzung und nach ihrem jetzigen Zweck
nichts anderes ist als ein dürftiges Feigenblatt, um einen militärischen
Ausnahmezustand zu rechtfertigen, den Ausnahmezustand, daß für die Söhne
Bohlhabender die allgemeine Wehrpflicht in einer Weise abgekürzt und er-
leichtert werden kann, die anderen, die nicht die höhere Schule besuchen,
nicht möglich ist. Dieses militärische Ausnahmerecht soll gleichsam durch
pädagogische Gründe glaubhaft gemacht werden. Die Reichsschulkommission
ist im übrigen machtlos, sie hat keine Exekutivgewalt, ihr stehen keine Mittel
zur Verfügung, sie hat keine Bedeutung, sie ist ziemlich überflüssig im
beutigen Reichsorganismus. Wir brauchen eine Reichsbehörde, die für die
vielen Pflichten des Reichs den Wissenschaften und Künsten und ihren
schulmäßigen Voraussetzungen gegenüber zuständig ist. Wir haben ja schon
eine Reihe von Reichsämtern für besondere Fragen. Wir haben ein Kanal-
amt, ein Patentamt, ein Reichsversicherungsamt, ein Aufsichtsamt für
Privatversicherungen; wir haben ein Reichsgesundheitsamt, das vielleicht
in erster Linie mit dem von uns gewünschten Reichsschulamt in eine Reihe
zu stellen wäre. Es sind aber durchweg wirtschaftliche Fragen, für die
diese Reichsämter eingesetzt sind. Aber für die Kulturaufgaben im engeren
Sinne des Wortes, für die vielen, vielen Aufgaben des geistigen Lebens
gibt es im Deutschen Reiche keine Zentralstelle. Es gibt sehr viel unsinnige
Verschiedenheiten in dem Schulwesen der deutschen Bundesstaaten.
Es soll damit nicht gesagt sein, daß nicht auch eine sinnvolle Abwechslung
im Schulwesen der Einzelstaaten sein kann. Wir wollen keineswegs etwa
eine Schablonisierung weder durch das Reichsschulgesetz noch durch eine
solche Behörde herbeiführen, wir wollen nicht eine Lahmlegung des Schul-
wesens und der Initiative einzelner Bundesstaaten oder Kommunalbehörden,
im Gegenteil, wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, ihrem Tatendrang
soweit wie möglich im Sinne der Emporhebung des Schulwesens die Zügel
schießen zu lassen. Aber die unsinnigen Verschiedenheiten im deutschen
Schulwesen, die an die törichten Zollplackereien der früheren Zeiten er-
innern, könnten sehr leicht beseitigt werden, sobald man erst Klarheit über
diese Unsinnigkeiten in weiten Kreisen herbeigeführt hat. Was hat es für
einen Sinn, daß in dem einen Bundesstaat die Schulpflicht mit dem 5.,
im anderen mit dem 6., im dritten mit dem 7. Schuljahre beginnt, daß
die Schulentlassung in dem einen Bundesstaat mit dem vollendeten 13.,
anderen mit dem vollendeten 14., im dritten erst mit dem vollendeten