Das Veentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 19.) 79
trüben Zeit geschah. Es kann nicht hoch genug angerechnet werden, was
der Jesuitenorden in jenen entsetzlichen Wirren getan hat, wo die Patres
teilweise die Nahrungsmittel herbeischaffen mußten, um dem ausgeraubten
Bolke dasjenige zu bieten, was es brauchte, um es vor dem Hungertode zu
bewahren, in einer Zeit, wo die Jefuitenpatres in einem durch Krieg, Pest
und Hunger verödeten und entvölkerten Lande, in Städten und Dörfern,
die nur noch als rauchgeschwärzte Trümmer dalagen, alles tun mußten,
um die mutlose, durch die Greuel des Krieges demoralisierte und verrohte
Bevölkerung wieder geistig aufzurichten. Was sie damals getan haben,
bleibt ihnen unvergessen! Bei uns im Reichsland wagt es heute auch keine
Partei, den Vorwurf zu erheben, daß die Jefuiten im Lande irgendwie
einmal konfessionell störend aufgetreten seien, und bei den Wahlen und in
den Parteikämpfen haben namentlich auch unsere Liberalen und ihre Kan-
didaten offen und feierlich erklärt, daß sie für die Abschaffung des Jesuiten-
gesetzes seien.
Da der Antrag Schädler und Genossen unter Ablehnung des Zu-
satzes, den die Abgeordneten Ablaß und Genossen vorgeschlagen haben,
also unverändert in erster und zweiter Lesung angenommen wurde, so tritt
das Haus auf Vorschlag des Abgeordneten Dr. Spahn, da sich kein Wider-
spruch seitens eines Mitgliedes des Hauses erhebt, sofort in die dritte Be-
ratung ein und erledigt sie ohne Diskussion mit Annahme des Gesetz-
entwurfs.
19. Februar. (Straßburg i. E.) Gegen die Verhetzung der
öffentlichen Meinung.
Vor einer Anzahl Landtagsabgeordneter, höchster Beamter des Landes
und Vertreter der Presse, die er zu einem Essen geladen hatte, ergriff der
Statthalter Graf von Wedel das Wort zu einer Ansprache: „Unser aller
Streben ist auf das gleiche Ziel, auf die Förderung der Wohlfahrt und
Entwicklung des Landes, gerichtet, wenn Landtag und Regierung im Ein-
vernehmen und mit Vertrauen an der Lösung der gemeinsamen Aufgaben
arbeiten. Vorbedingung dazu ist, daß wir alle mit bestem Willen den
Aufreizungs- und Verführungsversuchen von hüben und drüben entgegen-
treten, die die Gegensätze verschärfen, anstatt sie auszugleichen, Ruhe und
Frieden nicht aufkommen lassen und damit dem Lande schweren Schaden
zufügen. Darum lassen Sie uns einen entschlossenen Kampf gegen diese
Störenfriede führen. Dann wird das ernsteste Hindernis gegenseitigen Ver-
ständnisses aus dem Wege geräumt und der Blick in die Zukunft frei und
hoffnungsvoll werden. Denn nur die Zukunft vermag zu bauen, nur in
ihr liegt das Heil, und diejenigen verfündigen sich schwer am eigenen
Lande, die unter Hintansetzung unumstößlicher geschichtlicher Tatsachen die
Entwicklung nach vorwärts durch den beständigen Hinweis auf die Ver-
gangenheit zu erschweren und Vorstellungen zu erwecken suchen, deren Ver-
wirklichung dem Lande unheilbare Wunden schlagen würde. Darum lassen
Sie uns zielbewußt auf dem Boden der gegebenen Verhältnisse vorwärts-
schreiten, dann werden auch die Einwirkungen von selbst aufhören und
unser Land wird unter dem mächtigen Schutz des Kaisers und des Reiches
nicht nur einer blühenden Entwicklung entgegengehen, sondern es wird auch
die Bewegungsfreiheit erringen, die es erstrebt und auf die es bei normalen
Berhältnissen Anspruch erheben darf."
Der Präsident der Zweiten Kammer des Landtags, Abgeordneter
Dr. Ricklin (3.), betonte in seiner Erwiderung: „Wir Vertreter des elsaß-
lothringischen Volkes, die wir uns unserer Aufgabe voll bewußt sind, sind
entschlossen, Hand in Hand mit der Regierung zu gehen und alles zu tun,