2 Beisches Reich. (Januar 4.)
ist, wie die Dokumente nachträglich ad usum delphini zurechtgemacht worden
sind, ist aber zugleich erstaunt, zu finden, wie wenig Mühe sich die Redaktoren
gegeben haben, die Flüchtigkeit ihrer Arbeit zu verbergen. Wir wollen
darüber hinweggehen, daß mehrfach Daten wichtiger Ereignisse verändert
sind, wie z. B. daß der bekannte russische Ministerrat vom 25., der
unter dem Vorsitz des Zaren die Mobilisation gegen Oesterreich-Ungarn
endgültig beschlossen hat, vom französischen Botschafter Paleologue in seinem
Bericht vom 25. Juli (Nr. 38 des Gelbbuches) auf den 26. verlegt wird
— hier kann es sich vielleicht um Versehen handeln —; immerhin sind das
Versehen, die den neutralen Leser leicht in die irrtümliche Vorstellung ver-
setzen, daß noch am 25. Juli Rußland nicht daran gedacht habe, irgend-
welche militärische Maßregel zu beschließen, wie denn auch Herr Paléologue
in seinem Bericht betont, daß Ssasonow seine ganze Mäßigung bewahrt
und erklärt habe, „alles zu vermeiden, was die Krise beschleunigen könnte“.
Jedenfalls aber liegt es nahe, bei solchen auffälligen Druckfehlern an etwas
anderes zu denken, als an ein Versehen des Redakteurs des Gelbbuches,
denn Herr Paléologue kann den Bericht in dieser Form am 25. Juli nicht
geschrieben haben. Viel bezeichnender für die Art, wie das französische
Gelbbuch zusammengestellt wurde, ist jedoch folgende Stelle in dem unter
Nr. 5 abgedruckten Schriftstück vom 30. Juli 1913, einem Auszug aus
Berichten diplomatischer und konsularischer Agenten in Deutsch-
land, der neben den anderen dunklen Dokumenten des ersten Kapitels
einen weiteren Beweis für den Kriegswillen Deutschlands liefern soll. Es
heißt dort im 5. Absatz:
„Wenn über den Kaiser diskutiert wird, wenn der Kanzler unpopulär
ist, so war Herr v. Kiderlen während des letzten Winters der bestgehaßte
Mann in Deutschland. Indessen fängt er an, weniger unbeliebt zu sein,
denn er läßt hören, daß er seine Rache nehmen wird.“
Wie wir alle wissen, ist der in Deutschland allseitig verehrte Staats-
sekretär v. Kiderlen-Waechter leider schon im Dezember 1912 gestorben.
4. Jan. (Bayern.) Der König hat anläßlich seines 70. Ge-
burtstags an den Minister des Innern Frhrn. v. Soden folgendes
Handschreiben gerichtet:
Seit vollen fünf Monaten stehen Deutschlands beste Söhne in schwerem
Kampfe vor dem Feinde. In kraftvoller Entschlossenheit ist die ganze Nation
geeint. JZeder Deutsche ist nur von dem einen Gedanken beseelt, freudig
alle Opfer zu bringen, die der Schutz und die Ehre des Vaterlandes uns
auferlegen. Unter dem mächtigen Eindruck dieser Tatsachen gehe ich in
diesen Tagen einem wichtigen Lebensabschnitt entgegen. Ich habe den
dringenden Wunsch ausgesprochen, daß von größeren Festlichkeiten anläßlich
meines 70. Geburtstages Abstand genommen werde. Dieser Wunsch wird
überall verständnisvolle Aufnahme finden. Es liegt mir aber am Herzen,
gerade am Vorabend meines Geburtstages die Empfindungen auszudrücken,
die mich in dieser großen Zeit bewegen. Mit stolzer Freude und Anerken-
nung blicke ich auf die tapfere bayerische Armee, die in heldenmütigem
Kampfe durch die herrlichen Waffentaten ihren alten Ruf befestigt und
sich als würdiges Glied des deutschen Heeres bewiesen hat. Mit stiller
Wehmut gedenke ich der Helden, die in dem gewaltigen Ringen ihr Blut
für das Vaterland vergossen haben, und aller Familien, die den Verlust
teurer Angehöriger beklagen. Herzlichen Dank sage ich dem ganzen bayerischen
Volke, das in dieser ernsten Zeit seine Liebe zum Vaterland und zum
Königshause so glänzend bewährt und unter Zurückstellung aller trennenden
Gegensätze nur ein Ziel vor Augen hat, dem Vaterlande zu dienen. In