Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Erste Hälfte. (56a)

Pie österreichisch-ungarische Monarchie. (Dezember 4.) 693 
verwendet werden. Die Griechen fürchten die Deutschen zu sehr, um die 
Verteidigung ihres Landes zu wagen. Sie sagen, daß sie Zuseher bleiben 
und den Feind hereinlassen werden, wenn wir darauf bestehen, hier zu 
bleiben. Sie sind die elendesten Köter (curs), die man sich vorstellen kann. 
Alles, was wir tun können, ist, ihnen vor uns mehr Furcht einzujagen, 
als sie vor den Deutschen haben. Zu diesem Zwecke haben wir eine starke 
Flotte, welche bei Melos wartet und bereit ist, im Bedarfsfalle eine Demon- 
stration zu machen. 
VI. Brief des W. G. T. H. an Mr. H. F., im Auswärtigen Amt in 
London: 
Ich nehme an, daß Sie nach London zurückgekehrt sind, und ich wollte, 
Sie würden sich ein wenig Ruhe gönnen. Aber ich fürchte, daß dies in 
diesen unruhigen Zeiten schwer möglich sein wird. Immerhin hoffe ich, daß 
man jetzt mehr geneigt ist, auf Ihre Stimme zu hören, als früher. Die 
Leute zu Hause scheinen ihren Kurs zu ändern und sind offenbar weniger 
geneigt, der Regierung zu vertrauen, als ehedem. Die Leute wollen wissen, 
warum wir den Karren so verfahren und so viel Geld ausgegeben haben, 
um so wenig zu erreichen. Was hier vorgeht, ist ein gutes Beispiel für die 
Art unserer Politik. Wir haben uns wie gewöhnlich gehen lassen und sind 
durch die Ereignisse überrascht worden. Ursprünglich wollten wir einige 
wenige Divisionen landen, ein politischer Schachzug, um die Griechen und 
Bulgaren zu impressionieren; unser Mißerfolg war ein kläglicher. Jetzt 
landen wir starke Kräfte, mehr sollen noch nachfolgen, und das Ende von 
alledem ist nicht abzusehen. Auf jeden Fall spielen wir das deutsche Spiel, 
indem wir freiwillig 300000 bis 400000 Bulgaren an uns heranziehen, 
während wir. wenn wir uns beizeiten zurückgezogen und die Bulgaren nach 
Mazedonien hineingelassen hätten, wahrscheinlich gar nicht in die Lage ge- 
kommen wären, mit ihnen kämpfen zu müssen. Anbei ein Memorandum, 
welches ich über den Gegenstand geschrieben und welches den Militärbehörden 
als aus der Feder eines ausländischen Diplomaten kommend vorgelegt 
wurde. Wenn es von mir gekommen wäre, so wäre es natürlich in den 
Papierkorb gewandert, so hoffe ich, daß es einigen Eindruck gemacht haben 
wird. Ich glaube auch, daß die Dardanellengeschichte, wenn möglich, ebenso 
aufgegeben werden sollte. Es ist Zeit, daß wir die Serie unserer Mißerfolge 
beenden, anstatt blind loszugehen, nur deshalb, weil wir die Sache einmal 
angefangen und weil wir nicht den moralischen Mut aufbringen können, 
uns zurückzuziehen. Die Griechen verdienen sicher nichts anderes als einen 
guten Tritt (a good kick behind)! 
VII. Aus einem Briefe an Major R. A. S. K., London, von einem 
Freunde in Athen, d. d. 30. 11. 1915: 
Die Situation hier muß als eine durchaus außergewöhnliche und 
kritische bezeichnet werden, aber ich glaube, wir werden die Sache zu einem 
guten Ende bringen, wenn nur unsere Regierung eine feste Haltung ein- 
nimmt. Diese ist aber derart schwankend, daß, wenn die Dinge gegen uns 
ausfallen, es größtenteils ihre Schuld sein wird. Wie Sie sehen, ist die 
Situation für uns außerordentlich kritisch und beunruhigend, sowohl vom 
politischen als vom militärischen Standpunkte aus betrachtet, und viele 
glauben, daß unsere Tage hier gezählt sind. Ich selber glaube nicht daran, 
aber ich gebe zu, daß die Lage unserer 150000 Mann in Saloniki meinem 
Laienauge sehr gefahrvoll erscheint. Werden sie Zeit haben, sich zu ver- 
schanzen gegen die Deutschen, welche heranstürmen werden, sobald Monastir 
gefallen, und werden sie in der Lage sein, die Belagerung auszuhalten? 
Aber wahrscheinlich werden Kitchener und das Ministerium die Frage, ob 
wir in Saloniki und in Gallipoli bleiben sollen, entschieden haben, wenn
	        
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