Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Erste Hälfte. (56a)

694 Bie Aerreiczisch-ungarische Menarchie. (Dezember ö. 7.) 
Sie diese Zeilen zu Gesicht bekommen werden. Die Griechen sind ein ver- 
ächtliches Völkchen (a despicable little race). 
VIII. Aus einem Briefe des Mr. Y. E., Mitgliedes der britischen Ge- 
sandtschaft in Athen, an Mr. A. 0., Beamten des Auswärtigen Amtes in 
London, d. d. Athen 1./12.1915: 
Wir stecken hier in einem schauerlichen Durcheinander, und es wäre 
leicht möglich, daß wir Weihnachten in England verbringen werden, nachdem 
es uns gelungen sein wird, das Unwahrscheinliche zu erreichen, den Bruch 
zwischen Griechenland einerseits und Frankreich und England anderseits. 
Es wird sehr unangenehm sein, wenn wir gehen müssen, da wir natürlich 
die kleinsten Vorbereitungen nicht bemerkbar werden lassen dürfen. Nichts- 
destoweniger glaube ich nicht, daß es dazu kommt. Aber es stehen uns noch 
manche unerfreuliche Tage bevor, bis wir erreichen, was wir wollen, das 
ist freie Hand in Saloniki und in Griechisch-Mazedonien, wie in unserem 
eigenen oder Feindesland vorzugehen, ohne die uns in diesen Gebieten 
behindernden einheimischen Truppen. 
IX. Aus einem Briefe A. Tr. W., Mitgliedes der britischen Gesandt- 
schaft in Athen, an Sir R. C. von der englischen Botschaft in Washington, 
d. d. Athen 1./12. 1915: 
Ich glaube, es ist die militärische Kraft Deutschlands, welche den tür- 
kischen, bulgarischen und griechischen Generalstab impressioniert. Sie haben 
kein Vertrauen in unsere Armce. Sie haben bisher auch wenig Grund ge- 
habt, ihr Vertrauen entgegenzubringen. Die Frage liegt jetzt so: werden wir 
die Saloniki- und die Dardanellenexpedition fortsetzen?" Niemand kann jeßt 
wissen, was nach Kitcheners Rückkehr in London und Paris beschlossen werden 
wird. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, genug Kräfte auf den Balkan 
zu senden, um Rumänien Mut zu machen, vielleicht auch dem armen klein- 
mütigen Griechenland, damit sie sich uns anschließen und so den deutschen 
Vormarsch nach Kleinasien und noch weiter zum Stehen zu briugen. Hier 
bemühen wir uns, den Import von Nahrungsmitteln, Kohle und Oel zu 
kontrollieren, um in der Lage zu sein, jederzeit auf Griechenland einen Druck 
auszuüben. Andrerseits haben wir mit der Möglichkeit zu rechnen, die Ziovil- 
bevölkerung von Saloniki im Belagerungsfalle mit Nahrungsmitteln ver- 
sehen zu müssen, ein kompliziertes Problem. 
5. Dez. Kaiser Franz Joseph erklärt durch Handschreibden 
an den Armecoberkommandanten Feldmarschall Erzherzog Friedrich, 
in Anerkennung der Leistungen der Wehrmacht seit Beginn des 
Krieges das neugestiftete Militärverdienstkreuz I. Klasse mit der 
Kriegsdekoration anlegen zu wollen. 
7. Dez. (Ungarisches Abgeordnetenhaus.) Ministerprä- 
sident Graf Tisza äußert sich über die Balkanverhältnisse und 
die Friedensfrage: 
Sicherlich erwartet das Haus nicht, daß ich mich jetzt mit der griechi- 
schen Frage eingehender befasse, da Griechenland augenblicklich mit Schwie- 
rigkeiten kämpft, auf die jede Regierungserklärung nur störend einwirken 
könnte. Wir müssen in vollem Maße Griechenlands jetzige schwierige Lage 
berücksichtigen. Andererseits müssen wir den Ereignissen einc solche Richtung 
geben, daß Griechenland in der Friedenszeit die Stellung einnehmen kann, 
die ihm naturgemäß gebührt. Andererseits glaube ich, kann man den An- 
schluß Bulgariens an das zentraleuropäische Bündnis auch in Rumänien 
ohne jedes Bedenken aufnehmen. Ich glaube, die große Mehrheit der
	        
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