38 Beufsches Reich. (Januar 26.)
Aber wichtiger als dieser Unterschied zwischen der schärferen Tonart
Nicolsons, bekanntlich einer der Väter der russisch-englischen Annäherung,
und der milderen Tonart Greys ist die Tatsache, daß der Erste Lord der
Admiralität aus eigener Initiative schon am 24. Juli die fällige De-
mobilisation der zu Uebungszwecken zusammengezogenen Flotte abbestellt
hat, und noch wichtiger ist, daß Sir Edward Grey sich am 27. Juli ver-
anlaßt sah, diese bisher geheim gehaltene Maßnahme dem französischen
Geschäftsträger als Folge des serbischen und russischen Wohlverhaltens be-
kannt zu geben. Auch dem russischen Botschafter hat Grey am gleichen
Tag die gleiche Mitteilung gemacht, worüber er an Buchanan wie folgt
berichtete:
„ni. have been told by the Russian Ambassador that in German
and Austrian circles impression prevails that in any event we would
stand aside. His Excellency deplored the effect that such an impression
must produce. This impression outght, as I have pointed out, to be
dispelled by the orders we have given to the First Fleet, which is
concentraded. as it happens, at Portland., not do disperse for manoeuvre
leave. But I explained to the Russian Ambassador that my reference
to it must not be taken to menn that anything more than diplomatic
action was promised.“ (Der russische Botschafter sagte mir, daß in deutschen
und österreichisch--ungarischen Kreisen der Eindruck herrsche, daß wir unter
allen Umständen beiseite stehen würden. Seine Exzellenz beklagte die
Wirkung, die ein solcher Eindruck hervorrufen muß. Dieser Eindruck müßte,
wie ich ausgeführt habe, zerstört werden durch die Befehle, die wir unserer
zurzeit zufällig in Portland konzentrierten Ersten Flotte gegeben haben,
nicht mit Manöverurlaub auseinanderzugehen. Aber ich setzte dem russischen
Botschafter auseinander, das mein Hinweis hierauf nicht so aufgefaßt werden
dürfe, als ob mehr als diplomatische Unterstützung versprochen sei.) (Blau-
buch Nr. 47.)
Man kann sich denken, welche Folgerungen, trotz des von Grey für
nötig erachteten Vorbehalts, die russische und französische Regierung aus
der Aufrechterhaltung des mobilen Zustands der englischen Nordseeflotte
und aus der Mitteilung dieser Maßnahme zogen. Die Handlung des Ersten
Lords der Admiralität und deren Sanktionierung und Bekanntgabe durch
das britische Kabinett wogen schwerer als alle vorsichtigen Worte.
In den folgenden zwei Tagen muß die Kriegspartei im englischen
Kabinett noch mehr Oberwasser bekommen haben. Denn am 29. Juli tat
Sir Edward Grey einen Schritt, der keinen Zweifel über die Stellungnahme
Englands an der Seite seiner Ententegenossen mehr zulassen konnte. An
diesem Tage hatte Grey mit dem Fürsten Lichnowsky eine Unterredung,
über die er selbst an den englischen Botschafter in Berlin berichtet (Blau-
buch Nr. 89):
„After speaking to the German Ambassador this afternoon about
the European situation, 1 said that I wished to Say to him. in s quite
private an friendly way, something that was on my mind. The situation
was very grave. While it was restricted to the issues at present actually
„ein Krieg, an dem andere Mächte sich veranlaßt sehen
könnten teilzunehmen“
ist mit Autorisation der französischen Regierung übersetzt worden in:
„ein Krieg, an dem alle Mächte teilnehmen würden"“. —
Durch diese Retouche wird aus durchsichtigen Gründen Sir Edward
Grey eine Klarheit der Sprache schon für den 27. Juli zugeschrieben, die
er in Wirklichkeit erst einige Tage später gesunden hat.