818 Grohbritannien. (September 5. 6. 11.)
sicht, den Entwurf zurückzuziehen, er könne höchstens abgeändert werden.
Sir Edward Grey antwortete, er könne begreifen, daß Enttäuschung herrschen
würde, wenn die britische Regierung erkläre, daß die Durchführung des
deutschen Flottenprogramms den Verhandlungen ein Ende bereiten und
ein unüberwindliches Hindernis für bessere Beziehungen bedingen werde.
Die britische Regierung würde das jedoch nicht tun, sie hoffe, daß die von
ihr aufgestellte Formel im Zusammenhang mit territorialen Uebereinkünften
besprochen werden würde, selbst wenn dadurch die Ausgaben für die Flotte
nicht vermindert werden könnten. Sir Edward Grey fügte hin zu, daß, wenn
ein Abkommen zwischen den beiden Regierungen zustande käme, das einen
günstigen, wenn auch indirekten Einfluß auf die Flottenausgaben haben
würde. Außerdem würde es einen direkten günstigen Eindruck auf die öffent-
liche Meinung der beiden Länder ausüben.
Einige Tage später teilte Graf Metternich Grey den Inhalt eines
Briefes des Reichskanzlers mit, in dem dieser sagte, daß, weil die von
England vorgeschlagene Formel vom deutschen Standpunkt aus unbefrie-
digend sei und sich die englische Regierung außerstande sehe, einer weiter-
gehenden Formel, wie ihr vorgeschlagen wurde, zuzustimmen, der Flotten-
entwurf, so wie er vom Bundesrat vorgelegt worden sei, weiter verhandelt
werden müsse. Die Verhandlungen wurden hierauf abgebrochen. Mit ihnen
schwanden die Hoffnungen auf Verminderung der Rüstungskosten der
beiden Länder.
Siehe die Entgegnung der „Nordd. Allg. Zig.“ vom 8. September
oben S. 453 ff.)
5. Sept. Der britische Personendampfer „Hesperian“ von der
Allan-Linie ist gestern abend bei Fastnett auf eine Mine gelaufen
und gesunken.
Die Reutermeldung. das Schiff sei torpediert worden, stellt sich als
unrichtig heraus. (Das Nähere Beck'sche „Chronik des Deutschen Rrieges“
BMd. VIII S. 274 ff.)
6. 11. Sept. (Bristol.) Gewerkschaftskongreß.
Im Mittelpunkt der Beratungen des Gewerkschaftskongresses, an dem
Minister Henderson und Unterstaatssekretär Brace teilnahmen, stand die
Wehrpflichtfrage. Der Vorsitzende Seddon, Mitglied des Unterhauses,
erklärt in seiner Eröffunngsrede, 6. Sept., die britischen Arbeiter beständen
darauf, daß Belgien den Belgiern zurückerstattet werden müsse, ehe der
Friede geschlossen werde. Der Kampf sei ein Ringen auf Leben und Tod
um die Freiheit. Der preußische Militarismus mit seinem nachweisbaren
Raub, seiner Grausamteit und seinen Morden müsse vernichtet werden.
Er verurteilt sodann die Kriegsgewinne und fordert von der Regierung
Bürgschaften, daß nach dem Krieg die normalen Arbeitsbedingungen und
die Rechte der Gewerlschaften wiederhergestellt werden.
In der Debatte über die Wehrpflicht am 8. Sept. sprechen sich die
Redner einstimmig gegen die Wehrpflicht aus. Die Debatte richtet sich
namentlich gegen die Pressekampagne. Der Präsident Seddon sagt, man
solle die Nation nicht in einen großen Konflikt treiben, der in einem Augen-
blicke, wo die nationale Einheit wesentlich sei, das Volk spalten würde.
Der Delegierte Shaw erklärt, die Northeliffe-Presse beschmutze das eigene
Nest. Dergleichen sei in Deutschland unverständlich. Jeder Deutsche, ob
Konservativer oder Sozialdemokrat, spreche von Deutschland als einem Lande,
das an der Spitze der Nationen marschiere. Ein Redner sagt, auch wenn