Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

824 Erskbrilannien. (September 15.—17. 
daß in einem wichtigen Augenblick unserer Geschichte die Armee ihrer Stärke 
beraubt wurde durch die Unfähigkeit von Regierenden und Regierten, die 
ungeteilte Energie und den unbezwingbaren Willen des britischen Volkes 
auf die große Aufgabe zu konzentrieren. 
Amery (Unionist) spricht für die Wehrpflicht. 
Dalziel (lib.) sagt, Asquith solle der Nation den Ernst der Lage 
deutlicher machen. Der Redner griff den Minister Harcourt an, dessen 
optimistische Rede (Harcourt sprach sich in einer in seinem Wahlkreis ge- 
haltenen Rede gegen die allgemeine Wehrpflicht aus) er für unpatriotisch 
und gefährlich halte. Er fragte, ob die Regierung optimistische Ansichten 
über die Dardanellen hege und verlangte Mitteilungen über die Verteidigung 
Londons gegen Luftangriffe. 
Der erste Lord der Admiralität Balfour erwiderte: Niemand sah bei 
Kriegsausbruch die Entwicklung des Luftkriegs voraus. Die neue 
Waffe konnte erst durch die Erfahrung des Krieges erprobt werden. Die 
Erfahrung zeigt, daß die englische Verteidigung dagegen durchaus un- 
genügend war. Balfour konnte keinen Grund angeben, weshalb die Ver- 
teidigung Londons gegen Luftangriffe der Flotte zufalle. Er sei selbst dar- 
über erstaunt gewesen, als er die Leitung der Admiralität übernommen 
hätte. Der Luftfahrdienst der Flotte, fuhr Balfour fort, mochte bei Kriegs- 
beginn als ausreichend gelten; aber er war es nicht, wie die Erfahrungen 
lehrten. Er ist bereits vervierfacht und wird noch weiter ausgebaut. Was 
die Geschütze zur Abwehr von Luftfahrzeugen betrifft, so tbaren die Vor- 
bereitungen bei Kriegsbeginn nicht sehr weit gediehen. Die Zahl der ver- 
fügbaren Spezialgeschütze war klein. Ihre Herstellung schritt langsam fort. 
Dazu kommt die große Zahl der erforderlichen Geschütze, die alle Schiffe 
bedürfen. Augenblicklich genügt der Vorrat nicht den Bedürfnissen, aber es 
werden Fortschritte gemacht. Balfour erklärte, er habe das ganze System 
der Küstenverteidigung Englands, die dem Luftfahrdienst obliegt, völlig 
ungenügend gefunden, als er die Admiralität übernommen habe. Er hoffe, 
daß sie jetzt ausreiche. Betreffend die Verteidigung Londons sagte Bal- 
four, es sei keineswegs alles Mögliche dafür geschehen, aber es sei im 
Werden. Er erwarte Großes von den Fähigkeiten Percy Scotts. Die 
Admiralität habe die Verteidigung von Paris gegen Luftangriffe studiert, 
aber die Voraussetzungen seien verschieden, da Paris eine große Festung 
sei und zahlreiche Geschütze habe, London dagegen, wie jedermann wisse und 
auch die Deutschen wohl wüßten, ein unbefestigter Ort, der nach den Regeln 
des zivilisierten Krieges solchen Angriffen nicht ausgesetzt sein sollte. Er könne 
versprechen, daß alles geschehe, um die Verteidigung gegen Luftangriffe zu 
entwickeln und zu organisieren. Uebrigens seien die durch die Luftangriffe 
verursachten Schäden wirtschaftlich und militärisch unbedentend. 
Dillon (Nationalist) wünscht die Aufmerksamkeit des Ministerpräsi- 
denten auf eine Erklärung zugunsten der Wehrpflicht, die eine Anzahl Ab- 
geordneter, die gegenwärtig Offiziere sind, in der Presse veröffentlichen. 
Redner fragte, ob es den anerkannten Grundsätzen entspreche, daß akrive 
Offiziere in brennenden politischen Streitfragen sich an die Oeffentlichkeit 
wendeten. Wenn das geduldet würde, müsse er die Frage stellen, ob den 
Unteroffizieren und Soldaten dieselbe Gelegenheit gewährt würde, ihre 
Meinung zu äußern. Der Redner warnte davor, die Streitfrage in die 
Armee zu tragen. 
Wedgwood (lib.). der Offiziersuniform trug, nahm das Recht freier 
Meinungsäußerung für Abgeordnete, die in der Armee ständen, in Anspruch. 
Er behalte sich das Recht vor, über alle militärischen und politischen Fragen 
innerhalb und außerhalb des Hauses zu sprechen.
	        
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