Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Greßbritannien. (September 15.—17.) 825 
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Hauptmann Guest (lib.), der zu den Unterzeichnern der Erklärung 
für die Wehrpflicht gehört, sagte, diese beabsichtige nicht, die Agitation 
zu schüren; es sei aber kein Grund dafür vorhanden, daß sie ihre Ueber- 
zeugungen aufgeben sollten. Guest forderte die Regierung dringend auf, 
den Tag für die Erörterung der Wehrpflichtfrage anzusetzen. 
Hodge (Führer der Arbeiterpartei) sprach die Hoffnung aus, daß die 
Regierung der Agitation nicht nachgeben werde. Das Haupterfordernis sei 
nicht so sehr mehr Soldaten als mehr Kriegsmaterial. Die Agitation für 
die Wehrpflicht bedrohe die Einigkeit der Nation. Das würde eine sehr 
üble Wirkung auf die Verbündeten haben. Er vertraue darauf, daß die 
Regierung auf das entschiedenste erklären werde, daß die Zeit für die Wehr- 
Vflicht nicht gekommen sei. 
Pringle (lib.) sagte, es sei nicht mehr zu verhindern, daß die Wehr- 
pflichtfrage im Parlament erörtert werde, nachdem sie in der Presse, auf 
dem Gewerkschaftskongreß und anderwärts behandelt wurde. Die Blätter 
keilen offen mit, welche Minister für die Wehrpflicht, welche dagegen und 
welche unentschieden seien. Lloyd George habe öffentlich gefordert, daß das 
Kabinett, das Parlament und die Nation die Wehrpflicht annehmen. Pringle 
juhr fort, Minister Harcourt habe in einer Rede in seinem Wahlkreis die 
Gründe für die Wehrpflicht widerlegt. Es sei unter diesen Umständen un- 
moglich, daß das Parlament allein die Frage nicht erörtere. Dieses Par- 
lament sei zwar im Absterben, müsse aber der Nation als Führer dienen. 
Erstaunlich sei, daß der Führer der Arbeiterpartei der Regierung unbedingtes 
Vertrauen zubillige, während alle wüßten, daß die Regierung uneinig sei, 
und ihre Uneinigkeit im In- und Ausland durch die Presse bekannt ge- 
worden sei. 
Dalziel (lib.): Das Kabinett solle dem Hause volle Information 
über die grundlegenden Tatsachen geben. Asquith solle dem Hause offen 
sagen, ob kein Staatszwang nötig sei. Dann werde sich das Haus damit 
zufrieden geben. Asquith müsse sagen, ob er mit Lloyd George oder mit 
Harcourt einverstanden sei. 
Oberst Hierman sagte, die Entscheidung hänge von Kitchener ab. 
Es wäre am besten, wenn diese Frage im Kabinett, im Parlament und in 
der Presse verstumme, und die Nation ruhig abwarten würde, bis Kitchener 
den Augenblick für gekommen halte, zu sprechen. 
Thomas (Arb.): Fast alle Gewerkschaften des Eisenbahnerverbandes 
nahmen die Entschließung gegen die Wehrpflicht an und teilten obendrein dem 
ausführenden Ausschuß mit, daß sie im Falle ihrer Einführung in den Aus- 
stand treten würden. Der Gewerkschaftskongreß, der drei Millionen Arbeiter 
vertrete, habe einstimmig eine Entschließung gegen die Wehrpflicht an- 
genommen. Das Geschoßgesetz konnte nicht gegen 200000 Arbeiter durch- 
geietzt werden, wie viel weniger die Wehrpflicht gegen drei Millionen. 
Wir wollen den inneren Sinn der Bewegung kennen lernen. Ist sie ein 
Schachzug, um Asquith zu stürzen? Wir befanden uns oft im Gegensatz 
zu ihm, aber wir sind überzeugt, daß er in dieser nationalen Krisis un- 
ersetzlich ist. Aber wenn der Premier nicht das Ziel ist, um was handelt 
es sich dann? Im Namen der Mütter, die ihre Söhne, und der Kinder, 
die ihre Väter verloren haben, bitte ich Sie, die Einigkeit der Nation nicht 
zu spalten! Angenommen, Sie erzwängen Neuwahlen, was dann? Wollen 
Sie Soldaten gegen die Minderheit anwenden? Unsere Aufgabe wird sein, 
den inneren Frieden zu erhalten. Ich warne Sie! An demselben Tage, 
o die Regierung die Wehrpflicht einbringt, wird die industrielle Revolution 
a sein. 
Johnson Hickson (Unionist): Wenn die Abgeordneten sanftmütig die
	        
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