Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Grobritemnien. (Oktober 16.) 839 
werden. Allgemein fordert man, daß zuerst der reiche Mann seines Geldes 
entblößt werden solle, und dann wolle man zusehen, wie man sich zu der 
Frage, daß dem Aermeren das Leben genommen werden solle, stellen wolle. 
Montagu (lib.) sagt, wenn es sich nicht darum handeln würde, den 
deutschen Militarismus zu bekämpfen, so würde man die Steuervorlage als 
das verhängnisvollste Stück finanziellen Schreckens bezeichnen, der jemals 
in diesem Lande vorgeschlagen worden sei. Nicht alle Leute im Lande 
sähen genau ein, wie groß die Last sei. Für das laufende Jahr werde 
die Ausgabe auf 1590 Millionen Pfund geschätzt und die Einnahmen auf 
305 Millionen Pfund, woraus ein Defizit von 1285 Millionen entstehe. 
Für das nächste Jahr werde die Ausgabe 1825 Millionen betragen und 
die Einnahme etwa 387 Millionen, wodurch ein Defizit von 1483 Mil- 
lionen verbleibe. Hieraus gehe hervor, daß die Lasten, die durch die Maß- 
nahmen der Regierung auferlegt werden, nicht weniger als zwei Drittel 
des gesamten nationalen Einkommens betrügen. Im weiteren Verlaufe 
seiner Rede fordert Montagu zu energischer Sparsamkeit auf, wie denn 
überhaupt das gesamte Leben eine Umformung erfahren müsse. Der Mann, 
der sich nicht so weit bringe, die nicht direkt nötigen Gegenstände zu ent- 
behren und sein Leben vollständig umzubilden, sei nicht in der Lage, dem 
Lande sein Einkommen darzubieten und seine Pflicht zu tun. Henderson 
(Un.) legt dar, daß die Schuld am Ende des Krieges etwa vier Milliarden 
Pfund betragen würde, was eine mögliche Belastung von 190 Millionen 
Pfund pro Jahr bedeuten würde. 
16. Okt. Das Auswärtige Amt teilt mit: Da Bulgarien be- 
kanntgegeben hat, daß es sich im Kriegszustande mit Serbien be- 
findet und ein Bundesgenosse der Zentralmächte ist, hat Groß- 
britannien durch Vermittlung des schwedischen Gesandten in London 
mitgeteilt, daß vom 15. Oktober, 10 Uhr abends ab zwischen Eng- 
land und Bulgarien der Kriegszustand besteht. 
16. Okt. (Oberhaus.) Scharfe Kritik der Balkanpolitik. 
Staatssekretär Lord Crewe will nicht das Recht und die Pflicht 
des Hauses bestreiten, die Tätigkeit des Auswärtigen Amtes zu erörtern 
und zu beurteilen. Aber die Erörterung und das Urteil dienten schwerlich 
der Sache, die allen am Herzen liege. 
Lord Morley: Der Einwand des Lord Crewe sei wenig begründet, 
da die französische Kammer die Erörterung mit großer Offenheit führen 
dürfe. Er wolle jedoch dem Wunsche nachkommen. Lord Crewe habe den 
neuen Feldzug in Serbien und das Bündnis Bulgariens mit Deutschland 
ein „widriges Ereignis“ genannt. Redner glaube, es sei viel mehr als das, 
es sei der Beginn einer Reihe von militärischen Handlungen, die von größter 
Bedeutung sein könnten. Die Oeffentlichkeit frage sich, ob man im Hinblick auf 
den Feldzug in Frankreich und Belgien und die Unternehmung — oder wie 
man das sonst nennen wollte — an den Dardanellen mit einem neuen Feld- 
zuge nicht die Kräfte zersplittere, die an der entscheidenden Westfront gebraucht 
werden. Das Publikum frage sich, was das Gerede über ungenügende Re- 
kutenanwerbung einerseits und die Aufstellung neuer unbegrenzter Rekruten- 
sorderungen andrerseits zu bedeuten habe. Er wolle nur fragen, welche Truppen- 
mengen die Alliierten im Balkanfeldzuge verwenden wollen, unter welchen Be- 
dingungen Rußland und Italien mitwirken würden, und ob etwas über die Aus- 
sichten eines Beitritts Griechenlands und Rumäniens gesagt werden könne. — 
Auf die Fragen Morleys wird von der Regierung nicht geantwortet.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.