840 Grsfbritannies. (Oktober 19. 20.)
Lord Milner: Seit vierzehn Monaten erkläre die Regierung bei
jeder Gelegenheit, daß Erörterungen unerwünscht seien. Ich möchte wissen,
wozu wir uns überhaupt versammeln. Wenn wir heute deshalb zusammen-
gekommen sind, um Aufklärungen zu erhalten, dann müßten die Lords
über Südosteuropa sehr unterrichtet sein oder lange keine Zeitungen gelesen
haben. Lord Crewe hat uns gar nichts Neues gesagt. Dasselbe war bei
der letzten Rede Kircheners der Fall. Ich bedaure, daß ich das nicht schon
damals gesagt habe. Kitcheners Rede war in den Mitteilungen von Tat-
sachen veraltet und ist, soweit sie einen Ausblick in die Zukunft gab, keines-
wegs durch die Ereignisse bestätigt worden. Lord Milner verurteilt dann das
Dardanellenunternehmen und erörtert die Frage, ob man das neue Unter-
nehmen, dessen erfolgreiche Durchführung nicht mehr zu erhoffen sei, nicht
aufgeben solle. Man wende dagegen ein, daß dies das englische Ansehen
in Aegypten und Indien schädigen würde, aber es sei die Frage, ob es
nicht schlimmer wirken würde, wenn die Unternehmung mit einem völligen
Zusammenbruch ende. Es sei schwer, über die Balkanpolitik nicht ent-
täuscht zu sein, wenn man bedenke, wie die Karten verteilt waren, die
beide Parteien, die um die Vorherrschaft auf dem Balkan kämpfen, in den.
Händen gehalten haben.
Lord Lansdowne erwidert, die Lage sei äußerst kritisch. Der Ein-
tritt Bulgariens in den Krieg sei ein höchst unglückliches Ereignis. Die
Haltung Griechenlands sei ebenfalls eine neue Tatsache. Daneben bestehe
aber auch ein neues, sehr ernstes militärisches Problem. Das Haus möge
nicht voreilig ein Urteil aussprechen.
Lord Ribblesdale: Die Lage möge für die Regierung heikel sein,
aber sie schiebe nur den Tag hinaus, der doch nicht zu vermeiden sei,
an dem man früher oder später diese Frage erörtern müsse. England
habe sich sorglos und prahlerisch zu einem neuen Abenteuer entschlossen.
Man habe gesagt, England entsende 100000 Mann, um die Million voll zu
machen. Diese Million sei da, aber leider gegen uns. Es sei eine neue
schwierige Lage eingetreten, die der Regierung Gelegenheit gegeben habe,
zu erwägen, ob man aus dem unglücklichen Dardanellenabenteuer heraus-
kommen könne. Die Regierung solle erklären, ob sie dies erwäge.
19. Okt. Sir Edward Carson tritt aus dem Kabinett aus.
Wie „Daily Chronicle“ berichtet, forderte Carson, daß England 300000
Mann auf den Balkan senden und sofort die Wehrpflicht einführe.
19. Okt. General Sir Carmichael Monro übernimmt an Stelle
von General Sir Jan Hamilton, der nach England zurückkehrt,
das Kommando über das Expeditionskorps im Mittelmeer.
19. Okt. Lord Derby entwickelt in einer Versammlung im
Mansionhouse seinen Rekrutierungsplan. (Vgl. ob. S. 836.)
Näheres s. Beck sche „Chronik des Deutschen Krieges“ Bd. IX S. 456 f.
20. Okt. Eine Ordre in Council hebt eine Kabinettsordre vom
Herbst 1914 auf, die den Artikel 57 der Londoner Deklaration
für die Dauer des Krieges als gültig erklärt hatte.
Der Artikel 57 bestimmt, daß der neutrale oder feindliche Charakter
eines Schiffes durch die Flagge, die es zu führen berechtigt ist, entschieden
wird. Dieser Grundsatz, den die britische Regierung früher für die Dauer
des Krieges angenommen hatte, soll also beseitigt werden. Die „Times“
schreibt zur Erläuterung: Der betrügerische deutsche Handel hat es not-