Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Grefibriiaunien. (November 3.) 857 
3. Nov. (Oberhaus.) Fortsetzung der Kritik der Regierung 
(s. 28. Oktober). Scharfer Angriff gegen Asquith. Rüge der Zenfur- 
maßregeln. 
Lord St. Davids (lib.) findet, die frühere Regierung habe Fehler 
gemacht, aber den Krieg mit großer Energie geführt. Seitdem die Koalitions- 
regierung bestehe, sei keine besondere Energie der Regierung bemerkbar ge- 
wesen. England befände sich jetzt in einer schicksalsschweren 
Krisis. Keine Nation habe sich jemals in gefährlicherer Lage befunden. 
Er erinnere an die Lage Frankreichs nach der Revolution. Er wolle nicht 
das Verfahren der Schreckensherrschaft gegen unfähige Generale empfehlen, 
aber sie müßten wenigstens entlassen werden. 
Lord Willoughby de Broke richtet einen scharfen Angriff gegen 
Asquith. Seine gestrige Rede habe nichts gesagt, was ein intelligenter 
Zeitungsleser nicht längst gewußt hätte. Sie habe manches belastende 
Material gegen Asquith selbst enthalten. Ein wirklich eindrucksvoller 
Teil sei die Mitteilung gewesen, daß Asquith im Amte bleiben wolle, 
solange er könne. Die Franzosen entfernten einen Minister nach dem 
anderen. Wenn die Russen während des Krieges einen Großfürsten hätten 
loswerden können, könne man auch Asquith loswerden. Asquith gleiche 
Pitt, den er in seiner Rede erwähnt habe, jedenfalls nicht darin, daß er 
nach dem Worte Macaulays in jedem Palast von Lissabon bis Moskau 
mit heiliger Scheu genannt wurde. Es wäre schlimm, wenn man unter 
den 1200 Parlamentsmitgliedern nicht einen Nachfolger finden könnte. 
Lord Morley bedauert die persönlichen Angriffe auf Asquith, sagte 
aber, daß der Vorredner im Grunde recht habe. Er bemängelt die Art, 
wie die Zenfur arbeite und erklärt, daß sie sich überaus töricht benehme. 
Man führe die notwendige Rücksicht auf die Verbündeten an, aber einige 
von ihnen besäßen noch nicht Preß-, Rede-- und Meinungsfreiheit. Die 
Zenfur verfälsche direkt gewisse Nachrichten, zum Beispiel amtliche Berliner 
Berichte. Ein Holländer habe kürzlich zu einem Freunde gesagt: Früher 
galt die britische Presse als die zuverlässigste in der ganzen Welt. Zetzt 
aber nicht mehr. Morley erinnert an die unglückliche englische Expedition 
auf Walcheren 1809, die Vlissingen und Antwerpen erobern sollte. Sie 
babe ausgegeben werden müssen. Ein Ausschuß im Unterhause habe die 
Schuldfrage untersucht. Wenn das Unternehmen an den Dardanellen ebenso 
verlaufe, würde das Parlament auch eine Untersuchung verlangen. 
Lord Crewe sucht in einer längeren Rede die Regierung zu ver- 
teidigen. 
Lord Ribblesdale sagt: Die Politik der Regierung sei in ver- 
schiedenen Fällen, wie bei der Frage, ob Baumwolle Baungut sei und bei 
der Munitionsfrage, von der Zeitung „Times“ beeinflußt worden. Es sei 
bedauerlich, daß die Zeitung ein neues Regierungswerkzeug geworden sei. 
Der Lordkanzler: Als ich das Pressebüro leitete, war die Schwierig- 
keit wegen der amtlichen deutschen Berichte akut. Ich gab die amtlichen 
deutschen Berichte frei, vorausgesetzt, daß sie nicht Dinge enthielten, von 
denen wir begründeterweise annahmen, daß sie unrichtig waren oder einen 
unserer Verbündeten beleidigten. Wenn zum Beispiel der amtliche deutsche 
Bericht sagte, daß die Franzosen Grausamkeiten gegen deutsche Verwundete 
begangen hatten, so schnitt ich sie aus. Ich selbst konnte die Wahrheit 
nicht feststellen und lehnte es ab, durch die britische Presse Nachrichten 
verbreiten zu lassen, die wahrscheinlich falsch waren. Die Deutschen haben 
zwei Arten von Funkentelegrammen. Die einen sind Berichte des Haupt- 
quartiers, die anderen ein phantasievoller Auszug von Nachrichten mit der
	        
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