Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Großbritannien. (November 30.) 873 
Der Staatssekretär des Innern Sir John Simon, greift die North- 
cliffepresse an und wirft ihr vor, daß sie den Feind ermutige, die Ver- 
bündeten verwirre und die neutralen Länder gegen England einnehme. Der 
Redner behandelt ausführlich eine Anzahl von Fällen, in denen „Times“ 
und „Daily Mail" den Deutschen Waffen in die Hand gespielt hätten, die 
von den Deutschen erfolgreich in den neutralen Ländern benutzt worden 
wären. Eine gewisse von „Daily Mail“ veröffentlichte Karte mit der Ueber- 
schrift „Der Weg nach Indien“ sei von der deutschen Presse wiedergegeben 
und von den deutschen Behörden in den Balkanländern verbreitet worden. 
Simon führt sodann eine Anzahl von Artikeln aus der „Times“ an, die 
von der deutschen Presse und Deutschfreunden in Spanien ausgenutzt worden 
seien. Wenn die deutsche Presse der deutschen Sache so schlecht diente, wie 
die englische Presse der englischen Sache dient, würde sie der Welt das 
Bild eines uneinigen und entmutigten Deutschlands geben, was sicher ein 
sehr unvollkommenes Bild der Gesamtlage Deutschlands darstellen würde. 
Mac Neill verteidigt die Northceliffepresse gegen die Angriffe, die er 
als eine unbegründete und unwürdige Rache des Ministers bezeichnet. 
Hodge (Arb.Part.) bestätigt, daß gewisse Artikel in „Times“ und „Daily 
Mail“ eruste Beunruhigung in Frankreich verursacht und eine unheilvolle 
Wirkung auf die öffentliche Meinung dieses Landes gehabt hätten. 
Lord Robert Cecil sagt, die Agitation, die „Times“ und „Daily 
Mail“ geführt hätten, stellte in der Kriegszeit eine ernste Gefahr dar. 
Die Wirkung solcher Artikel auf den Feind sei nicht die Hauptsache. Das 
Auswärtige Amt habe zahlreiche Berichte erhalten, daß jene Artikel in 
neutralen Ländern eine sehr ernste und schädliche Wirkung gehabt hätten. 
Sie hätten in Bulgarien die Freunde Englands entmutigt und seine Gegner 
ermutigt. In Spanien sei die Auffassung der Deutschfreunde, daß die 
Zentralmächte siegen würden, gekräftigt worden. Die Regierung habe zahl- 
reiche Berichte aus verbündeten und neutralen Ländern erhalten, daß die 
Artikel der Northcliffepresse die britische Sache schädigten. 
Dalziel (Un.) führt aus, die Regierung scheine zu glauben, daß sie 
durch eine große Debatte den Krieg gewinnen könne. Die Northceliffepresse 
habe sich nicht pessimistischer geäußert, als das Vorwort Lloyd Georges und 
der Brief Churchills. Das britische Publikum erkenne jetzt, daß der Krieg 
nur wegen der Fehler der Regierung noch nicht beendet sei. Aber die Re- 
gierung kritisierte die Leute, die die Fehler der Regierung aufdeckten. 
King (lib.) sagt: Die Regierung hatte von Anfang an vor „Daily 
Mail“ und „Times" Angst. Sie hat sechs obskure irische Blätter unterdrückt, 
aber nicht gewagt, gegenüber „Times“ und „Daily Mail“ eine Drohung 
auszusprechen. Der Redner würde die Regierung mit größerer Ueberzeugung 
unterstützen, wenn sie mehr Konsequenz und Mut zeigen würde. 
Pringle (lib.) führt aus, die Regierung müsse der Feigheit gegen- 
über Northrliffe schuldig befunden werden. Sie habe gegenüber dem „Globe“ 
einen Willkürakt begangen. Der Chefredakteur des „Globe“ sei ein armer 
Mann und habe sein Brot verloren. Die Regierung habe den Armen ge- 
opfert, sei aber nicht gegen den reichen Mannn, den Napoleon der Jour- 
nalistik, eingeschritten. Die Hauptschuld trage die Zenfur. Der englische 
Nachrichtendienst habe den Ruf der größten Genauigkeit, Wahrheit und 
Juverlässigkeit verloren. Die amtlichen englischen Nachrichten würden ver- 
dachtigt. Die Regierung habe für Northcliffe die größte Reklame gemacht. 
Sir Frederic Banbury (Unionist) spricht die Hoffnung aus, die 
Debatte werde zur Folge haben, daß die Presse fortfahre, die Regierung 
zu kritisieren, wenn sie falsch handle, und daß die Parlamentsmitglieder 
diesem Beispiel folgen würden.
	        
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