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sprechungen beschränkt bleibe und in Zukunft nicht mehr auf politische Artikel
angewandt werde.
15. Jan. Die Gruppe der sozialistischen Kammerdepu-
tierten hat in Paris im Beisein der Minister Sembat und Guesde,
sowie des belgischen Ministers Vandervelde eine Zusammenkunft.
Bandervelde überbringt einen Vorschlag der englischen und belgischen
Sozialisten über eine Konferenz der Sozialisten der Verbündeten, in der
die Bedingungen näher geprüft werden sollen, unter denen der Krieg fort-
zusetzen sei, sowie der Standpunkt der einzelnen Delegierten über den Krieg
naher erörtert werden könnte. Die Gruppe zeigt sich für den Vorschlag
eingenommen, faßt aber keinen endgültigen Beschluß. — Die Mitglieder
der Gruppe geben ihre Ansicht für Fortsetzung des Krieges bis zum voll-
ständigen Sieg der Verbündeten kund.
15. Jan. Gustave Hervé verurteilt in seiner Zeitung: „La
guerre sociale“ die inhumane Einrichtung der französischen Kon-
zentrationslager für deutsche Zivilgefangene. Er schreibt:
Die Frage der Interniertenlager sei kein Ruhmesblatt in der franzö-
sischen Geschichte. Anfangs setzte sich die Bevölkerung in den Kopf, das
Land sei voller Spione. Spione gab es, aber als die deutsche Lawine in
Frankreich einbrach, sei es allzu einfach gewesen, die Niederlage durch
die ungenügende Vorbereitung, die zahlenmäßige Unterlegenheit und das
Fehlen schwerer Artillerie zu erklären. Man mußte einen Sündenbock finden.
Diesmal seien die Spione der Sündenbock gewesen. Die Regierung verlor
den Kopf und befahl, alle Deutschen zu internieren. Die unglücklichen Opfer
wurden unter dem Johlen der Bevölkerung in die Eisenbahnzüge gebracht
und in Waggons eingepfercht. In den für ihren Aufenthalt bestimmten
Städten wurden sie in die Lokale geführt, wo nichts zu ihrem Empfang
vorbereitet war, wo Männer, Frauen und Kinder wochenlang auf Stroh
übernachten und auf dem Boden in widerlichem Durcheinander hausen
mußten. Man werde niemals die Zahl der armen Kinder kennen lernen,
die in diesen Zuchthäusern infolge Elends und Entbehrungen starben. Das
Parlament solle Maßnahmen für eine würdige Behandlung der Internierten
treffen, um den guten Ruf Frankreichs und die Ehre der Republik zu retten.
16. Jan. Das Kriegsgericht in Casablanca hat die Deutschen
Ficke und Grundle wegen Unruhestiftung unter den Marokkanern
und Spionageverdacht zum Tode verurteilt. Gegen den Deutschen
Nehrkorn wurde auf lebenslängliche Zwangsarbeit erkannt.
Die Hinrichtung der beiden zum Tode verurteilten Deutschen erfolgte
am 28. Januar. Die Strafe des Deutschen Brandt, der am 27. November
unter ähnlichen Verdachtsgründen zum Tode verurteilt wurde, ist, da das
vorliegende Beweismaterial nicht schwerwiegender Natur war, in zehnjährige
Zuchthausstrafe verwandelt worden. (Siehe das Nähere Beck'ische Chronik
des Deutschen Kriegs Bd. III S. 125 ff.)
22. Jan. Die Staatsrechnung für 1914 wird veröffentlicht;
fie zeigt einen erheblichen Rückgang aller Abgaben und starke Ein-
schränkung des Geschäftslebens.
Alle Staatseinnahmen gegenüber 1913 sind geringer, ausgenommen
die Telegrapheneinnahmen, die um 11: Millionen Franken stiegen. Die