Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Gresjbritannien. (Januar 10.) 723 
gabe, die den Verbündeten obliegt, ist außerordentlich ernst und schwierig; 
das sollten die Engländer voll einsehen. Deutschland hat den Vorteil der 
zentralen Lage und des einheitlichen Kommandos. Deshalb ist es nötig, 
daß wir für eine vollständige und dauernde strategische Zusammenarbeit 
zwischen uns und den Verbündeten Sorge tragen, sowohl auf politischem, 
als auch auf militärischem Gebiete. Wenn das freiwillige Rekrutierungs- 
fustem nicht genug Menschen liefert, müssen wir zur allgemeinen Wehr- 
pilicht schreiten. Dieser Fall muß entsprechend früh vorbereitet werden, 
damit nicht ein nationales Chaos eintritt. 
Der Lordkanzler führt aus, die Aufgabe Englands in diesem 
Kriege decke sich nicht ganz mit der der Verbündeten. England müsse 
vor allem für die Herrschaft zur See sorgen. Es sei mit verhältnis- 
mäßig geringen Verlusten imstande gewesen, seine Vorherrschaft zu erhalten. 
Der Armeebedarf werde mit einer Geschwindigkeit hergestellt, die noch vor 
kurzem unerreichbar gewesen sei. Das gelte sowohl von den Explosivstoffen 
wie von den Geschossen und Gewehren. Die größte Wohltat des Krieges 
sei, daß er England seine Mängel einsehen gelehrt habe. Eine enge Fühlung- 
nahme zwischen den Oberkommandierenden der verbündeten Länder sei 
unmöglich, die Stäbe seien jedoch in Fühlung und die Oberkommandierenden 
über die einzelnen Operationspläne unterrichtet. Es würden alle An- 
strengungen gemacht, ohne Rücksicht auf die Kosten, den Deutschen eine 
den 42 Zentimeter-Mörsern gleichwertige Waffe gegenüberzustellen. 
Lord Curzon fragt, ob Sir Roger Casement nach dem, was 
vorgefallen sei, die Staatspension weiterbeziehen werde. Die Aufgabe, vor 
die England sich gestellt sehe, sei die größte seit Bestehen des Königreiches. 
Das Oberhaus wünsche zu wissen, ob das Rriegsamt, das mit Arbeiten 
überbürdet sei, überhaupt Zeit gehabt habe, über die Vorbereitungen zur 
eventuellen Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nachzudenken. 
Lord Crewe sagt, das Rekrutierungssystem, das einen Stillstand oder 
auch nur eine Entmutigung der britischen Exportindustrien mit sich brächte, 
würde auf den schließlichen Erfolg der britischen Wassen ungünstiger ein- 
wirken, als wenn die Rekrutierung um einige tausend Mann hinter den 
Erwartungen zurückbliebe. Die Rekrutierung in Irland sei trotz der un- 
glücklichen Differenzen, die dort beständen, zufriedenstellend. Mit Bezug 
auf Roger Casement sagt Crewe, er sei gegenwärtig nicht in der Lage, eine 
Pension zu bewilligen und werde auch kaum jemals in diese Lage kommen. 
Das Haus vertagt sich nach Annahme der Vorlage bis zum 2. Februar. 
10. Jan. Die Northeliffe-Presse benutzt die Erörterungen im Ober- 
hause zu einem Vorstoß zugunsten der allgemeinen Wehrpflicht. 
10. Jan. Die englische Regierung veröffentlicht folgende Antwort 
auf die Protestnote der Vereinigten Staaten vom 28. Dezember v. J. 
gegen die englische Unterbindung des neutralen Handels (s. Ge- 
schichtskalender 1914 S. 967 ff.): 
Eure Exzellenz! Ich habe die Ehre, den Empfang Ihrer Note vom 
28. Dezember zu bestätigen. Sie wird sorgfältig geprüft, und die Punkte, 
die darin aufgeworfen worden sind, werden betrachtet, und als Ergebnis 
hiervon wird Ew. Exzellenz eine Antwort zugestellt werden, die im einzelnen 
mit den aufgeworfenen Fragen und den Punkten sich beschäftigt, auf welche 
die Regierung der Vereinigten Staaten unsere Aufmerksamkeit gelenkt hat. 
Diese Betrachtung und die Vorbereitung der Antwort werden aber not- 
wendigerweise einige Zeit in Anspruch nehmen, und ich wünsche Ihnen
	        
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