Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

944 krankreich. (Dezember 25./28.) 
wenn wir in unserm Kampfe für den Triumph der Zivilisation nicht Sieger 
wären. Es ist ein Kapital von 14½ Milliarden gezeichnet, davon 
5½ Milliarden in bar. 2½ Milliarden sind in Schatzscheinen gezeichnet 
worden. Dieses Ergebnis macht unserem Lande alle Ehre. Die Anleihe ist be- 
reits in feste Hände übergegangen. Wenn ihr der Markt eröffnet wird, wird sie 
auch an der Börse notiert werden, sicherlich mit einem Aufgeld. In London 
erreicht das Aufgeld bereits zwei Punkte. Die Geldvorräte unseres Landes 
sind noch beträchtlich. Wir haben unsere Anleihe später als die anderen 
Länder aufgenommen, aber zur rechten Zeit. Unsere finanziellen Reserven 
werden frisch und kampfesmutig eingesetzt, während die anderen bereits 
Zeichen von Müdigkeit zeigen. Wir werden die Schwierigkeiten besiegen, weil 
wir Mut zum Entschluß und Vertrauen auf unser Land haben. 
Der Senat beschließt, die Rede Ribots öffentlich anschlagen zu lassen. 
(In Wahrheit stellt sich das Ergebnis der Siegesanleihe, wie 
die „Nordd. Allg. Ztg.“ vom 28. Dez. nachweist, keineswegs sehr günstig, 
da auf den Umtausch der 3prozentigen Rente und von Obligationen de la 
Defense Nationale allein 6½ Milliarden und auf die Bons de la Defense 
Nationale 2½ Milliarden Franken entfallen. Neues Geld stellen nur die 
5½ Milliarden Franken Barzeichnungen dar, die zum nominellen Kurs 
von 88, zum tatsächlichen Kurs von nur 87 Prozent einen wirklichen Bar- 
erlös von 4785 Milliarden Franken (— 3876 Milliarden Mark) ausmachen. 
Das Barergebnis der nach 16 1½ Kriegsmonaten erstmalig an den Markt 
gebrachten französischen „Siegesanleihe“ beträgt also noch nicht ganz soviel 
wie das der zweiten deutschen Kriegsanleihe und noch nicht ein Sechstel 
des Gesamterträgnisses der bis Ende 1915 in Deutschland auf dem Wege 
der Anleihen aufgebrachten Mittel.) 
25./28. Dez. (Paris.) Parteitag der französ. Sozialdemokratie. 
Außer den Ministern Guesde, Sembat und Albert Thomas wohnen 
auch Hervé und der belgische Minister Vandervelde der Tagung bei. Der 
Deputierte Bracke fordert die Wiederernennung eines einzigen politischen 
Leiters als Ersatz für Jaures. Die Generaldiskussion dreht sich um die 
Partei in ihrer Stellung zum Kriege. Der Deputierte Compere--Morel 
bespricht die Frage unter dem Gesichtspunkt, daß die Partei, wie unter 
Jaures und Vaillant, die Teilnahme an der nationalen Verteidigung immer 
als ihre Pflicht ansehen müsse. Der Redner verweist auf die Scheidung 
der Partei in Leute, die den Frieden durch den Sieg wollen, und solche, 
die nicht mehr glauben, daß der Sieg errungen werden könne. Zum Schluß 
ruft er aus: „Sie, die Sie von Frieden sprechen, werden der Reaktion 
vorarbeiten. Sie würden den schrecklichsten Schlag gegen die Republik 
führen und gegen die nationale Verteidigung. Andernfalls werden Sie für 
den Sieg der Alliierten streiten. Kämpfen Sie für die soziale Revolution!“ 
Der folgende Redner fordert eine Organisation der nationalen Verteidigung, 
die Entsendung parlamentarischer Kommissäre zu den Heeresteilen und die 
Bildung eines Komitees für das öffentliche Wohl. Bourderon fordert 
das Recht der Zusammenkünfte mit deutschen Sozialisten unter dem Hinweis, 
daß schon vor der Zimmerwalder Konferenz die Deputierten Renaudel und 
Longuet mit Bernstein und Kautsky zusammenkamen. Er verlangt die 
Motive für diese Zusammenkünfte zu wissen, sowie, wer der Urheber davon 
war. Der Redner schließt mit der Versicherung, daß in jedem Fall er und 
seine Freunde ihr Werk zugunsten des Friedens fortsetzen würden. 
Dem „Petit Parisien“ zufolge formuliert Compere-Morel die Frage 
betreffend den Frieden folgendermaßen: Wenn die Alliierten über militärische, 
finanzielle und wirtschaftliche Hilfsquellen verfügen, um die nationale Ver-
	        
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