978 Italien. (Juni 2.)
lands hätten. Aber welches wäre unsere Lage gewesen, wenn Deutschland
am Ende des Krieges nicht imstande gewesen wäre, das gegebene Wort zu
halten? Nach diesem Abkommen hätte es jedenfalls einen erneuerten Drei-
bund gegeben, aber zu bedeutend ungünstigeren Bedingungen, da es einen
souveränen und zwei untergebene Staaten gegeben hätte.
An dem Tage, da eine der Vertragsklauseln nicht ausgeführt worden
wäre, an dem Tage, da die städtische Selbstverwaltung von Triest durch
irgendeinen Erlaß oder durch irgendeinen Statthalter ausfgehoben worden
wäre, an wen hätten wir uns da wenden können? An den gemeinsamen
Oberherrn, an Deutschland? Ich will nicht von Deutschland ohne Achtung
und ohne Respekt sprechen. Ich bin italienischer Ministerpräsident und nicht
deutscher Reichskan3zler und verliere nicht den Verstand. Aber bei allem
Respekt für die Macht und Größe Deutschlands, das ein bewundernswertes
Beispiel von Organisation und Widerstandskraft bietet, erkläre ich im Namen
Italiens: Wir wollen niemand unterjochen, noch über irgend jemand eine
Schutzherrschaft ausüben. Deutschlands Traum von Welthegemonie aber ist
erledigt. Die ganze Welt hat sich dagegen erhoben. Der Friede und die
Zivilisation der zukünftigen Menschheit müssen auf der Achtung der natio-
nalen Selbständigkeit begründet sein. Unter den selbständigen Völkern wird
Deutschland als mit den andern gleichgestellt, aber nicht als Herr der anderen
angesehen werden müssen. Aber eines der bemerkenswertesten Beispiele des
maßlosen Stolzes, mit dem die Führer der deutschen Politik die anderen
Völker betrachten, liegt in dem Bilde, daß sich Bethmann Hollweg von der
politischen Welt Italiens gemacht hat.
Salandra verliest sodann den Absatz der Rede Bethmann Hollwegs,
auf den er anspielt, und fährt fort: Ich weiß nicht, ob in diesem vom Zorn
verblendeten Mann die Absicht lag, meine Kollegen und mich persönlich zu
beleidigen. Wenn dem so wäre, so würde ich den Fehdehandschuh nicht
aufheben. Wir, deren Leben Ihr kennt, sind Männer, die dem Staate bis
zum vorgerückten Alter gedient haben, Männer von makellosem Rufe.
Männer, die ihrem Lande das Leben ihrer Kinder geben. Aber denket nicht
an uns, denket im Gegenteil an die schreckliche Beleidigung, welche dieser
Fetzen Prosa gegen den König, gegen das italienische Volk, gegen die
Kammer und den Senat und selbst gegen Politiker schleudert, die eine
von unserer politischen Anschauung verschiedene politische Meinung haben.
Salandra hebt sodann hervor, daß die Mitteilungen, auf die sich das
Urteil Bethmann Hollwegs stütze, von dem Reichskanzler demjenigen Manne
zugeschrieben würden, den er den besten Kenner der italienischen Dinge
nenne, und sagt weiter: Das kann nur eine Anspielung auf Bülow sein.
mit dem brüderlichen Wunsche, einen Teil der Verantwortlichkeit auf ihn
abzuwälzen. Ich möchte jedoch nicht, daß Sie die Absichten Bülows falsch
beurteilen. Ich glaube, daß er Sympathien für Italien hatte und daß er
das Menschenmöglichste tat, um zu einer Verständigung zu gelangen. Aber
wieviele Fehler beging er nicht, indem er seine guten Absichten verwirk-
lichen wollte. Er vermutete, Italien könne um einiger falsch ausgegebener
Millionen willen und unter dem Einfluß einiger Personen, welche jede
Fühlung mit der Seele der Nation verloren hatten, und durch Kollusionen,
welche er bei Politikern versuchte, aber welche, wie ich hoffe und glaube,
nicht zum Abschluß kamen, von seinem Wege abirren. Die gegenteilige Wir-
kung wurde erzielt, ein ungeheurer Entrüstungsschrei verbreitete sich in ganz
Italien und nicht nur im niedern Volke, sondern auch in den wirklich höher
stehenden Schichten, in allen edlen Herzen, bei allen denen, welche für die
Landesverteidigung begeistert sind, und in der ganzen Jugend, welche bereit is,
ihr Blut für das Vaterland hinzugeben. Dieser Entrüstungssturm entfachte