Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

988 Stalien. (September 23.—26.) 
Stadt Rom meir schickt, ist mir besonders teuer. Ich antworte auf diesen 
Gruß aus jenen Gebieten, in denen immer die Erinnerung an den Ruhm 
Roms herrschte und wo die militärischen und bürgerlichen Tugenden der 
Unsrigen das Vertrauen bestätigen, das wir in den Triumph unserer na- 
tionalen Aspirationen setzen. 
B. Sept. (Messina.) Um 8 Uhr 30 Minuten wird ein kurzes 
heftiges Erdbeben von vier Sekunden Dauer und einer Stärke 
sechsten bis siebenten Grades der Scala Mercalli gespürt. 
Auch aus Aquila und den Provinzen Marsica und Sulmona liegen 
Erdbebennachrichten vor. 
25. Sept. Rücktritt des Marineministers. 
Der Marineminister Admiral Leone Viale ist krankheitshalber zurück- 
getreten. Salandra übernimmt interimistisch das Marineportefeuille. 
Der Unterstaatssekretär des Marineministeriums, Battaglieri, der eben- 
falls seine Demission angeboten hat, zieht dieselbe auf Ersuchen des Minister- 
präsidenten zurück. 
Der Rücktritt des Marineministers hängt mit politischen Gründen zu- 
sammen. Der Admiral lehnt es ab, die Flotte außerhalb der italienischen 
Gewässer zu verwenden, wie dies im Plane der amtlichen Abmachungen 
mit England vorgesehen ist. 
26. Sept. Rede Barzilais, des Ministers der unerlösten 
Provinzen, in Neapel. 
Der Minister schildert die Geschichte des Bündnisses mit Oesterreich- 
Ungarn, das abgeschlossen und aufrechterhalten worden sei nicht zum Zwecke 
des Zusammenwirkens für gemeinsame Ziele, sondern um unheilbare Gegen- 
sätze zu ersticken und verhängnisvolle Zusammenstöße hinauszuschieben. 
Italien habe versucht, das Band erträglich zu machen;: Oesterreich-Ungarn 
aber habe sich bemüht, es unerträglich zu gestalten. Der Redner erinnert 
an die Vorbereitungen für einen Angriffskrieg an der Grenze, an die An- 
nexion Bosniens, die Bahnprojekte auf dem Balkan, die Hohenloheschen 
Verordnungen, die brutale Mißachtung italienischer Gefühle, die planmäßige 
Unterdrückung der Italiener in der Monarchie, und erklärt, Freiherr von 
Conrad habe in Uebereinstimmung mit Erzherzog Franz Ferdinand die 
Ueberzeugung gehabt, daß man Italien vernichten müsse. Das Ergebnis 
der Zusammenkunft in Abbazia sei gewesen, daß Graf Berchtold den Ernst 
des Problems der Reichsitaliener anerkannt, aber versichert habe, es handle 
sich um ein unheilbares Uebel. Die Armeezeitung habe gestanden, man 
müsse die Reichsitaliener vernichten aus den höchsten strategischen Gründen, 
nämlich, um nicht unsichere Elemente in der Flanke zu haben, wenn einmal 
Oesterreich-Ungarn Italien den Krieg erkläre. Beweis für die Vorbereitungen 
Oesterreich-Ungarns gegen Italien sei ein deutsch-italienischer Sprachführer 
zum Gebrauch in der österreichisch-ungarischen Armee bei einem Einmarsch 
nach Italien mit dem Stempel des Militärkommandos in Graz. Gleich- 
zeitig habe Oesterreich-Ungarn in der Balkanpolitik offen gegen Italien 
Stellung genommen. Redner legt eingehend dar, daß Oesterreich-Ungarn 
Italien wirtschaftlich abgesperrt habe, um den ganzen deutschen, öster- 
reichischen und ungarischen Handel nach dem Mittelmeere über die Balkan- 
halbinsel zu leiten und auf jede Weise den italienischen Handelsverkehr mit 
dem Orient zu unterbinden. Als Italien mit Einwilligung Englands eine 
Eisenbahnkonzession in Adalia erhielt, habe Oesterreich-Ungarn die benach- 
barte Zone für sich beansprucht und Deutschland Vertrauensmänner der 
 
	        
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