Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Italien. (November 7.—15.) 991 
militärische Notwendigkeit, die Internierungen und Ausweisungen, welche 
durch private oder Parteirache veranlaßt werden, die Auswüchse der Zensur 
und die unterbliebene Einberufung des Parlaments. Die Kammerfraktion 
begrüßt die Zusammenkunft, die sozialistische Gruppen in Zimmerwald in 
der Schweiz abgehalten haben, als erste Friedenshoffnung und wird ihre 
Ueberzeugung im Parlament ausdrücken. 
7. Nov. Bei Kap Carbunara wird der Dampfer „Ancona“ der 
Schiffsgesellschaft „Italia“ durch ein österreichisches IlI-Boot versenkt. 
Es kamen mehr als 200 Personen, darunter viele Frauen und Kinder, 
ums Leben. Doch ergab, wie die „Stampa“ meldet, das Verhör des Kapi- 
täns der „Ancona“, daß diese trotz der Warnungsschusses weiterfuhr, und 
daß das U-Boot nicht weitergefeuert hat, nachdem das Schiff gehalten hatte. 
Siehe Weiteres unter Oesterreich-Ungarn sowie unten S. 991. 
8. Nov. Die Interventionistenliga fordert in einer Resolution 
den Krieg mit Deutschland und die Unterzeichnung des Londoner 
Vertrages vom 5. Sept. 1914. 
Der sozialistische „Avanti“ lenkt die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit 
auf die Werbearbeit der Interventionisten, die neue Unruhen wie im 
Mai vorbereiteten und deren Hauptziel gegen das in seiner Mehrheit auf 
dem Standpunkt Giolittis stehende Parlament gerichtet sei. Die interventio- 
nistischen Organe, wie „Populo d'Italia“ und „Idea Nazionale“, erklären 
ohne Scheu, daß der Volkswille die Vaterlandsfeinde am Betreten des 
Parlaments verhindern werde. 
10. Nov. Die italienischen Truppen in Libyen erlitten eine 
Niederlage gegen die Araber, die Fezzan sowie im Gebiet der Syrthe 
mehrere Ortschaften zurückerobert haben. 
Näheres s. Beck'sche Chronik des Deutschen Krieges Bd. X S. 301. 
13. Nov. Die interventionistischen Organisationen in Rom und 
Mailand fordern neuerlich sofortige Entsendung einer Balkanexpedi- 
tion, Kriegserklärung an Deutschland, Beitritt Italiens zum Londoner 
übereinkommen. 
15. Nov. Erklärung über die Versenkung der „Ancona“. 
Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten übersendet den neu- 
tralen Regierungen durch Vermittlung ihrer diplomatischen Vertreter folgende 
Erklärung über die Versenkung der „Ancona“: Ihre Regierung kennt ohne 
Zweifel die von der Presse gebrachten Einzelheiten über das Attentat, das 
die italienische Handelsmarine am 7. November von seiten des Feindes 
traf. Schon mehrmals wurde die Zerstörung von Handelsschiffen zu unserem 
Nachteil verzeichnet und zwar unter Bedingungen, die jede andere Erklärung 
außer einer brutalen Machtäußerung gegen friedliche Individuen ausschloß. 
Auch waren bereits Matrosen, unbewaffnete Reisende und unschuldige 
Frauen die Opfer dieser Akte geworden. Dennoch wurde in keinem Falle 
ein derart hoher Grad von Grausamkeit erreicht, wie in dem der „Ancona“. 
Dieses Schiff fuhr auf seiner Reise nach New VNork gegen den Westen 
zwischen Sardinien und der tunesischen Küste, beladen mit Passagieren und 
Waren, die nach Amerika bestimmt waren, und ohne eine Waffe an Bord 
zu haben. Jede Möglichkeit, daß die „Ancona“ Kontrebande oder im Dienste 
der Kriegführenden stehende Personen mit sich führte, war vollständig aus- 
Europäisscher Geschichtskalender. LVI. 63
	        
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