Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1000 Italien. (Dezember 12.) 
Salandra befassen werde. Er müsse hier aber auf die rein technischen 
Schwierigkeiten hinweisen, die sich aus der Einteilung des Finanzjahres 
in kurze Abschnitte für den regelmäßigen Betrieb der Finanzverwaltung 
ergeben würden. Die Regierung fordere die Anwendung des provisorischen 
Budgets bis zur endgültigen Bewilligung verschiedener Kapitel des ordent- 
lichen Budgets. Das Kabinett habe indessen nicht die Absicht, das Parla- 
ment zu verhindern, das Budget in der gewöhnlichen Weise zu besprechen 
und es sodann zu bewilligen. Die Regierung wünsche vielmehr eine solche 
Besprechung und müsse in einem so schwierigen Augenblick auf das un- 
bedingte Vertrauen des Parlaments zählen können. Sie werde nur dann 
auf ihrem Posten ausharren, wenn sie dieses Vertrauen besitze. Sie lasse 
sich nur von dem Gedanken an ihre Pflicht gegenüber dem Vaterlande 
leiten, und sie sei einmütig entschlossen, das große Unternehmen, das sie 
begonnen habe, zu einem guten Ende zu führen. Sie wolle kämpfen und 
siegen. Dieselbe Eintracht müsse aber auch in der Kammer herrschen mit 
demselben Pflichtgefühl, derselben großen Liebe für das Vaterland und der- 
selben hingebenden Aufopferung für das Land. 
Salandra erklärt, die außergewöhnlichen Vollmachten der Regierung 
seien durch die Notwendigkeiten des Krieges beschränkt; sie ermächtigen die 
Regierung keineswegs zu einer Umänderung der Staatsverwaltung, die im 
gegenwärtigen Augenblick nicht einmal angezeigt wäre. Salandra dankt dem 
Schatzminister Carcano für seine Erklärungen und den verschiedenen Rednern 
für ihre dem Ministerium gewidmeten wohlwollenden Worte. Er erklärt, 
daß er mehr als alles in der Welt die parlamentarischen Einrichtungen 
achten werde, und bestreitet, jemals durch Wort oder Tat seine Achtung 
gegen sie verleugnet zu haben. Er könne die Beschränkung der vorläufigen 
Bewilligungen auf drei Monate nicht annehmen, um nicht dem Abg. Ferri, 
der sie vorgeschlagen habe, den Schmerz zu bereiten, zugunsten der Regie- 
rung zu stimmen. Der Justizminister habe schon auf die Beschuldigung ge- 
antwortet, daß der italienische Staat auf der vatikanischen Front seine 
Fahnen zusammengefaltet habe. Bei seinen pflichtmäßigen Reisen durch das 
Land habe er die Eintracht der Italiener feststellen können. Das Herz der 
Nation schlage mit dem Herzen ihres Heeres und ihres Königs zusammen. 
Salandra erklärt dann, daß die Ernennung des Ministers Barzilai für 
Italien hohe Bedeutung habe. 
Mit 391 gegen 40 Stimmen wird hierauf der Regierung das Ver- 
trauen der Kammer ausgesprochen, und mit 313 gegen 56 Stimmen 
wird das Budgetprovisorium auf sechs Monate bewilligt. 
12. Dez. Vertagung der Kammer. 
Abg. Molina macht den Vorschlag, die Kammer auf den 1. März 1916 
zu vertagen. Er äußert den Wunsch, daß das neue Jahr einen europäischen 
Frieden bringen möge, der das Nationalitätenprinzip und das Prinzip der 
Unabhängigkeit der Völker sichern möge. 
Salandra erklärt sich mit dem Vorschlag Molinas auf Vertagung 
des Hauses bis zum 1. März einverstanden. Er spricht die Ueberzeugung 
aus, daß alle seine Kollegen ohne Ausnahme einig seien in dem Wunsch 
nach einem ehrenvollen und würdigen Frieden, der indessen allein durch 
den Sieg zu gewinnen sei. Er ersucht seine Mitarbeiter, mit vollen Kräften 
dazu beizutragen, die Aufgaben derjenigen zu erleichtern, die in den Alpen 
und auf dem Meere tapfer für ihr Vaterland kämpfen. Die Kämpfenden 
würden ermutigt durch den einmütigen Willen des italienischen Volkes zu 
dem geheiligten Kriege, der wohl lang und hart sei, den aber der sichere 
Triumph schließlich krönen werde. Salandra wünscht ferner, daß der
	        
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