1008 Rãmisqe Kurie. (Noveniber 15. - 28.)
so viele Menschen niedergemacht, so viele Völker von schwerem Unglück
heimgesucht werden. In dem Maße, wie sich die Notlage durch die Fort-
dauer des Krieges verschlimmert, wächst auch, wie wir sehen, bei allen die
Sehnsucht nach dem Frieden. Aber wir wünschen gar sehr, daß diese all-
gemeine Sehnsucht bei allen den Weg einschlage, der in duldsamer und
menschenfreundlicher Liebe zum Frieden führt. Von diesem Mege würden
weit abirren, die etwa glauben sollten, es sei ihnen erlaubt, die Handlungen
der Katholiken eines anderen Volkes durch Wort und Schrift in einer
Weise herabzusetzen, daß sie, wie der Apostel sagt, einander herausfordern,
einander beneiden und so neuen Zunder zu der Erbitterung liefern, deren
Glut sie durch Menschlichkeit des Urteils und durch Milde der Gesinnung
löschen sollten. Indem wir daher mit inständigem Verlangen den Frieden er-
flehen, und zwar einen Frieden, der sowohl den Forderungen der Menschlichkeit
wie auch der Würde der Völker entsprechen möge, ermahnen wir alle Katho-
liken, daß sie jede Zwietracht meiden und durch christliche Bruderliebe mit-
einander zur Wiederherstellung eines solchen Friedens allesamt beitragen müssen.
15. Nov. Vom Wunsche geleitet, einige rein religiöse Fragen zu
regeln, lädt der Papst Kardinal Mercier ein, nach Rom zu kommen.
26. Nov. Kardinal Hartmann trifft in Rom ein.
28. Nov. Papst Benedikt XV. gewährte einer im politischen
Leben stehenden neutralen Persönlichkeit vor kurzer Zeit eine Audienz,
über die die „Berl. Ztg. am Mittag“ berichtet:
Papst Benedikt erklärte: Der Papst muß vollständig unabhängig
sein. Die Katholiken der ganzen Welt dürfen beanspruchen, daß er sich frei
und unabhängig äußern darf und ihnen Aufklärung geben kann. Mehr als
je aber hat es sich in diesem Kriege erwiesen, wie notwendig dies ist.
Zwar hat sich die italienische Regierung nicht so feindselig gegen uns ge-
zeigt wie früher, ja sogar verhältnismäßig viel Rücksicht walten lassen, aber
dennoch sind wir außerstande, uns über alle Verhältnisse so frei auszusprechen,
wie wir es wollten. Und vor allem: Wir sind nicht in der Lage, uns ein objek-
tives Urteil zu bilden und die Gläubigen über die wahre Lage aufzuklären.
Ueber die angeblichen deutschen Greueltaten bemerkte der Papst:
Wir dürfen wohl annehmen, daß hier und da Härten vorgekommen sind,
aber es muß gesagt werden, die Deutschen sind stets provoziert worden.
Wenn wir Einspruch erheben sollten gegen das, was angeblich in Belgien
vorgefallen ist, so müßten wir doch vor allen Dingen uns gegen das Ver-
halten der Russen in Polen und Ostpreußen wenden.
Der Papst fuhr fort: Heikler ist schon die Frage der Unterseeboote.
Die „Ancona“ fuhr doch von Italien nach Amerika; sie konnte also un-
möglich im Verdachte stehen, Konterbande zu führen. Mit der „Lusitania"“
war es etwas ganz anderes. Sie war auf der Fahrt nach einem englischen
Hafen und das Unterseeboot hatte wohl Grund, anzunehmen, daß sie
Munition an Bord hätte. Auf den Einwand, daß man deutscherseits über-
zeugt war, daß ein so großes Schiff erst nach ein oder zwei Stunden sinken
könne, und auf den Hinweis auf die von deutscher Seite nicht verursachte
zweite Explosion, durch die das Riesenschiff schon nach 11 Minuten sank,
erwiderte der Papst, das gäbe eine ganz andere Erklärung des Vorfalles.
Zwei Stunden wären genügend, die Passagiere zu retten.
Als der Krieg mit Italien ausbrach, sahen sich der deutsche und
österreichische Gesandte vor die Notwendigkeit gestellt, abzureisen, und wir
glauben auch, daß ihre Stellung hier unhaltbar geworden wäre. Die natür-