Rämische Kurie. (Dezember 6.) 1009
liche Folge aber davon ist, daß wir die Verhältnisse nur einseitig dargestellt
bekommen und uns im übrigen an die Zeitungen halten müssen. Und wenn
man sieht, wie schwer selbst die offiziellen Tagesberichte in Uebereinstimmung
zu bringen sind, wie hier von einer Schlacht gesprochen wird, während
dort völlige Ruhe gemeldet wird, dann erkennt man den Wert, den man
noch den anderen Nachrichten beimessen kann. Wir erinnern nur an das
Luftbombardement auf die Kirche Degli Scalzi in Venedig. Halb und
halb hatte man uns zugesagt, daß man die Monumente schonen wolle;
aber nun behaupten die Oesterreicher, am Tage vorher sei Schloß Miramar
mit Bomben belegt worden. Es ist doch klar, daß das Schloß weder zur
Aufbewahrung von Munition noch zu anderen militärischen Zwecken dienen
konnte, und es ist nicht zu leugnen, daß die Oesterreicher in einem solchen
Falle zu Repressalien berechtigt waren. Aber die Italiener leugnen die Tat.
Sie bestreiten, Miramar bombardiert zu haben. Woliegt die Wahrheit? Ueber-
dies sind wir überzeugt, daß die Oesterreicher durchaus nicht die Absicht hatten,
die Kirche zu treffen. Wer Venedig kennt, weiß, wie nahe die Kirche am Bahn-
hof liegt und daß nur ein schmales Gäßchen sie davon trennt. Offenbar hat also
der Flieger den Bahnhof treffen wollen und ein Wurf ist ihm fehlgegangen,
was doppelt begreiflich ist bei der großen Höhe, in der er sich befunden hat.
Im weiteren Verlaufe der Unterredung sprach der Papst von den
Angriffen des französischen Klerus gegen die deutschen Katho—
liken und meinte, dieser Krieg habe keinen religiösen Zweck. Die Beschießung
von Reims sei ganz sicher nicht aus derartigen Gründen geschehen. 1870
hätten die Italiener auch Rom bombardiert. Eher könne man schon von
den Russen annehmen, daß sie dem Kriege religiöse Ziele unterschieben.
Ueber die päpstlichen Friedensbemühungen erklärte das Oberhaupt
der katholischen Kirche: Man will eben nicht auf uns hören. Aber dennoch,
ein Fortschritt ist zu verzeichnen. Vor vier oder fünf Monaten durfte man
das Wort Frieden überhaupt nicht nennen, während man jetzt getrost da-
von sprechen darf. Immerhin ein Fortschritt. Aber ob sich daraus mehr
ergeben wird, wissen wir nicht. Man muß von beiden Seiten Schritte auf-
einander tun und sich halbwegs begegnen. Jeder muß seine Forderungen
kürzen. Aber nun wird jetzt wieder gesagt, der Krieg soll bis zur völligen
Erschöpfung weitergeführt werden. Eigentlich glauben wir nicht, daß sich
Oesterreich, als es Serbien den Krieg erklärte, gedacht hat, daß er zu einem
Wellbrand ausarten würde. Deutschland mußte ja seinerseits als Alliierter
Oesterreich beistehen. Aber nach unserer Meinung hätte sich Rußland zurück-
halten sollen. Rußlands Einmischung ist schuld, daß der Krieg den heutigen
Umfang angenommen hat.
6. Dez. Geheimes Konsistorium.
Der Papst hält mit dem gewohnten Zeremoniell ein geheimes Kon-
sistorium ab. Es werden ernannt: Kardinaldiakon Cagiano de Azevedo zum
Kirchenkanzler und zugleich zum Titularpriester von San Lorenzo in
Damaso; Kardinaldiakon van Russum zum Titular von Santa Crore in
Jerusalem. Kardinal Gasquet verzichtet auf den Titel von San Giorgio
in Velabro. Kardinal Vannutelli nimmt den Titel von Ostia und Palestrina
an, Kardinal Vico den Sitz von Porto und Santa Rufina, Kardinal
Granito Pignatelli di Belmonte den von Albano. Hierauf hält der Paypst
eine Ansprache und ernennt zu Kardinälen: Tonti von Portugal; den Erz-
bischof von Florenz Mistrangelo; den Delegaten für Zentralamerika Caglicro;
den Nuntius in München Frühwirth: den Erzbischof von Bologna Gusmini:
den Nuntius in Wien Scapinelli. Der Papst nimmt auch mehrere Bischofs-
ernennungen vor.
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