1010 Römische Kuric. (Dezember 6.)
Die Ansprache des Papstes im Konsistorium lautet:
Ehrwürdige Brüder! Die Schwierigkeiten, welche bisher die Ein-
berufung des heiligen Kollegiums verhindert haben, sind Euch wohlbekannt,
und wenn es uns nun heute endlich beschieden ist, Euch zahlreich in diesem
edlen Kreise wiederzusehen, so kommt das nicht daher, weil die Schwierig-
keiten abgenommen hätten, sondern weil wir befürchteten, daß eine längere
Verzögerung zum Nachteil für den guten Fortgang der Geschäfte der
römischen Kirche ausschlagen würde. Zahlreich sind tatsächlich die Lücken,
die im letzten und im laufenden Jahre in den Reihen des heiligen Kol-
legiums entstanden sind. Wenn der Papst jederzeit den Verlust so erlauchter
Ratgeber und ihres getreuen Beistandes schmerzlich empfand, so ist das
Bedauern darüber um so lebhafter für uns, die wir die Regierung der
Kirche in einem der kritischsten Abschnitte der Geschichte übernehmen mußten.
Trotz der gewaltigen Zerstörungen, die sich im Verlaufe der 16 Monate
angehäuft haben, obwohl in den Herzen der Wunsch nach Frieden lebt,
obgleich so viele Familien unter Tränen den Frieden erflehen, obgleich wir
alle Mittel ergriffen haben, die geeignet sind, irgendwie den Frieden zu
beschleunigen und die Zwietracht zu besänftigen, so sehen wir nichtsdesto-
weniger diesen verhängnisvollen Krieg mit Wut zu Wasser und zu Lande
toben. Anderseits ist das unglückliche Armenien vom letzten vollständigen
Untergang bedroht. Auch das Schreiben, das wir am Jahrestage des
Kriegsbeginns an die kriegführenden Völker und ihre Staatshäupter rich-
teten, hat, obschon es eine durchaus achtungsvolle Aufnahme fand, doch
nicht die wohltätigen Wirkungen erzielt, die man erwarten konnte. Als
Statthalter dessen, der der friedliche König ist, Fürst und König des
Friedens, können wir nicht umhin, uns immer mehr über das Unglück zu
erregen, welches eine so große Zahl unserer Söhne betrifft, noch aufhören,
unsere hilfeflehenden Arme zu dem Gott der Erbarmung zu erheben und
ihn aus unserem ganzen Herzen zu beschwören, endlich durch seine Macht
diesem blutigen Streit ein Ende zu machen. Und während wir uns, soweit
es in unserer Macht steht, dafür verwenden, seine schmerzlichen Folgen
durch wohlangebrachte Maßnahmen, die Ihnen gut bekannt sind, zu lindern,
fühlen wir uns durch die Pflicht unserer apostolischen Sendung veranlaßt,
aufs neue auf dem einzigen Mittel zu bestehen, welches schnell ein Ende
dieses schrecklichen Weltbrandes herbeiführen könnte, um einen derartigen
Frieden vorzubereiten, wie er von der gesamten Menschheit glühend ersehnt
wird, das heißt, einen gerechten, dauerhaften und nicht nur für
einen Teil der Kriegführenden Nutzen bringenden Frieden.
Ein Weg, welcher wahrhaftig zu einem glücklichen Ergebnis führen könnte,
ist derjenige, welcher bereits erprobt und unter ähnlichen Umständen gut
befunden wurde, derjenige, an den wir in unserem Briefe vom letzten Juli
erinnerten, nämlich, daß in einem direkten oder indirekten Gedanken-
austausch mit aufrichtigem Willen und reinem Gewissen die
Ansprüche eines jeden klargelegt und gebührend geprüft wer-
den, unter Beseitigung der ungerechten und unmöglichen For-
derungen, und indem man nötigenfalls durch billige Kom-
pensationen und Abmachungen dem Rechnung trägt, was ge-
recht und möglich ist. Es ist unbedingt notwendig, daß man von der
einen wie von der anderen Seite in einigen Punkten nachgibt, daß man
auf einige der erhofften Vorteile verzichtet, und jeder müßte gutwillig in
Konzessionen einwilligen, selbst um den Preis gewisser Opfer, um nicht vor
Gott und den Menschen die ungeheure Verantwortung für die Fortsetzung
dieser beispiellosen Schlächterei auf sich zu nehmen, welche, wenn sie noch
weiter andauert, für Europa wohl das Zeichen seines Herabsinkens von