Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1044 Helsien. (September 6.—Oktober 24.) 
nannten Beigeordneten und ehemaligen Landesbaurats Rehorst (Köln) sowie 
nach einem Bericht des Dr. Lindner (Berlin) in eine Erörterung über den 
Wiederaufbau der auf dem westlichen und östlichen Kriegsschauplatze zer- 
störten Städte und Ortschaften sowie über die hierbei zu befolgenden Grund- 
sätze der Denkmalspflege eingetreten. 
6. Sept. Durch königl. Erlaß werden die Gemeindewahlen, 
die in der 3. Oktoberwoche stattfinden sollten, verschoben. 
6. Sept. Baron Beyens, der jetzige interimistische Minister 
des Auswärtigen, wird zum Mitglied des Ministerrates ernannt. 
20. Sept. Die Protestfristen werden nochmals, und zwar bis 
31. Oktober, verlängert. 
Unterm 21. Oktober erfolgt die Verlängerung bis 31. Dezember. 
9. Okt. Laut amtlicher Meldung wurden durch feldgerichtliches 
Urteil wegen Kriegsverrats 5 Personen zum Tod, 4 zu je 15 Jahren 
Zuchthaus, 1 zu 10 Jahren Zuchthaus, endlich 7 zu Zuchthaus- und 
Gefängnisstrafen von 2—8 Jahren verurteilt; 8 wurden von der 
Anklage des Kriegsverrats freigesprochen. Gegen einen Belgier und 
eine Engländerin, Miß Cavell, wurde das Todesurteil bereits vollstreckt. 
Die zum Tode Verurteilten wirkten, wie es in der amtlichen Meldung 
heißt, nach eigenem Geständnis viele Monate, die vorgenannte Engländerin 
neun Monate mit, versprengte englische und französische Soldaten und 
wehrfähige Franzosen und Belgier nach Holland zu befördern, damit sie 
sich dem Heere der Feinde anschließen konnten. Die Verurteilten bildeten 
eine wohlorganisierte Gesellschaft, die trotz der wiederholten Warnungen 
des Generalgouverneurs mit verteilten Rollen im großen Stile etappenweise 
die Anwerbung und Zuführung Wehrfähiger für die feindliche Armee be- 
trieben. 
In der ausländischen Presse wurden diese Verurteilungen und Straf- 
vollstreckungen wegen Kriegsverrats entweder falsch oder mit starken Ueber- 
treibungen geschildert. Es wurde deshalb unterm 23. Oktober aus Brüssel 
noch eine ausführlichere Darstellung der Tatsachen mitgeteilt mit dem Be- 
merken, daß dies um so notwendiger sei. als sich auch das englische Oberhaus 
mit der Sache beschäftigt und den Fall der Engländerin Cavell zum Gegen- 
stand einer Erörterung gemacht habe. (Diese ausführliche Darstellung, sowie 
den Bericht über die eigentümliche Rolle, die der amerikanische Botschafter in 
London in dieser Sache spielte, s. Beck'sche Chronik des Deutschen Kriegs 
Bd. IX S. 432 ff. S. hier auch den Aufsatz der „Nordd. Allg. Ztg.“ vom 
20. November und die Mitteilungen, die Unterstaatssekretär Dr. Zimmermann 
dem Vertreter der „United Preß of America“ über den „Fall Cavell“ gab.) 
24. Okt. Im Bezirk der Militärgeneraldirektion Brüssel sind 
neue Eisenbahnverkehrsämter errichtet worden. 
Sie befinden sich in Antwerpen, Arlon, Brüssel, Charleroi, Hirson, 
Lille, Lüttich, Mons und Thienen. Jedem Verkehrsamt steht ein Verkehrs- 
inspektor vor, dem die nötigen Beamten beigegeben sind. Mit dieser Ein- 
richtung ist die Ausführung und Ueberwachung des Verkehrs--, Wagen--, 
Abfertigungs- und Kassendienstes auf die neuen Verkehrsämter übergegangen. 
Die Verwaltung der belgischen Bahnen ist nunmehr fast ganz nach deutschem 
Muster eingerichtet worden.
	        
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