Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1048 Niederlande. (März 18.) 
englischen Gesandten Johnstone in betreff des Gebrauchs neutraler 
Flaggen. Am 7. Februar teilt Johnstone mit, daß die englische Regierung 
bisher keine Bekanntmachung in dieser Hinsicht veröffentlichte, daß aber das 
Führen neutraler Flaggen eine erlaubte gewohnheitsmäßige Kriegslist sei, 
welche nur gewissen Einschränkungen unterworfen sei. Johnstone erinnerte 
daran, daß auf Grund der Bestimmungen der englischen „Merchant shipping 
act“ von 1894 fremde Handelsdampfer die britische Flagge hissen dürfen, 
um der Erbeutung zu entkommen, und daß seine Regierung der Meinung 
sei, daß britische Schiffe auch ihrerseits die neutrale Flagge hissen dürften, 
besonders in Gewässern, wo Deutschland Schiffe mit Ladungen und Be- 
satzungen versenken wolle. Johnstone fügte hinzu, daß, obgleich britische 
Schiffe in jenem Sinne keine Befehle erhalten könnten, ihnen zweifellos der 
Rat erteilt werden würde, das zu tun. 
Der niederländische Minister des Aeußern antwortet darauf 
unterm 15. Februar mit folgendem Schreiben: Ich habe die Ehre, den 
Empfang des Schreibens Ew. Erzellenz vom 7. Februar zu bestätigen, in 
welchem Sie in Beantwortung meiner Frage die Güte hatten, mir mit- 
zuteilen, daß Ihre Regierung noch keine Proklamation über den Gebrauch 
der neutralen Flagge durch britische Handelsschiffe erlassen hat, daß aber 
der Gebrauch in der Praxis als eine Kriegslist anerkannt wird. Der nieder- 
ländischen Regierung ist nicht unbekannt, daß Handelsschiffe einer krieg- 
führenden Macht öfters eine neutrale Flagge hißten, um der Wachsamkeit 
feindlicher Kriegsschiffe zu entgehen. Ebenso ist ihr nicht unbekannt, daß 
die kriegführenden Mächte über rechtlich anerkannte Mittel verfügen müssen, 
um die Nationalität eines verdächtigen Schiffes zu untersuchen. Indessen 
ist die Tatsache der Benutzung der Flagge eines anderen Staates 
ohne dessen Zustimmung immer als Mißbrauch zu betrachten. 
In Kriegszeiten nimmt dieser Mißbrauch einen Charakter an, dessen Ernst 
keine Macht ignorieren kann, welche die Pariser Erklärung unterzeichnet 
hat. Er kompromittiert die neutrale Flagge, verursacht Zweifel betreffs 
neutraler Schiffe, die die eigene Flagge führen, und setzt sie der Möglich-- 
keit aus, selbst als feindliche Schiffe angesehen zu werden und gefährliche 
Folgen zu tragen. Ew. Exzellenz hatten die Güte, mich an die Bestimmung 
der Merchant shipping act zu erinnern, welche den Mißbrauch der 
britischen Flagge bestraft, außer wenn ein Handelsschiff einer kriegführenden 
Macht sich dieser Flagge bedient, um seine Erbeutung durch den Feind zu 
verhindern. Die niederländische Regierung kann nicht zugeben, daß auf 
diese Bestimmung die Anerkennung des Rechtes basiert werden könne, daß 
britische Handelsschiffe ihrerseits zu demselben Zweck die niederländische 
Flagge benützten. Auch das niederländische Gesetz verbietet den Mißbrauch 
der niederländischen Flagge, aber behandelt die Ausnahme nicht analog der 
Merchant shipping act, nämlich den Fall, daß die Flagge mißbraucht 
würde als ein Mittel, um dem Feinde zu entgehen. Mangels internationaler 
Vorschriften, welche die Dinge regelten, ist jeder Staat für sich befugt, die 
Bedingungen aufzustellen, unter denen seine Flagge benutzt werden darf. 
Es steht fest, daß die britische Regierung nicht stets imstande sein wird, die 
Benutzung einer neutralen Flagge durch britische Handelsschiffe zu verhindern, 
aber die niederländische Regierung glaubt erwarten zu dürfen, 
daß die britische Regierung keinen Mißbrauch sanktioniert, 
der die niederländische Schiffahrt den Gefahren des Krieges 
aussetzen würde. 
18. März. (Zweite Kammer.) Der Minister des Innern 
Cort van der Linden teilt mit, daß die Anleihe für Niederländisch-
	        
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