Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Dãnematk. (März 15. — April 22.) 1057 
höhung teils der Vermögenssteuer, teils der Erbschaftssteuer, sowie eine 
außerordentliche Einkommensteuer für 1915; diese Steuer soll besonders 
Personen und Gesellschaften treffen, die durch den Krieg ungewöhnliche 
Einnahmen gehabt haben. 
15. März. Der Literarhistoriker Georg Brandes veröffentlicht 
in der „Politiken“ eine Erwiderung auf Clémenceaus Angriffe gegen 
die neutralen Staaten. 
Siehe den Wortlaut Beck'sche Chronik des Deutschen Krieges Bd. IV S. 137. 
16. März. (Folkething.) Die dritte Lesung des Budgets gibt 
der Regierung Anlaß zu einer neuerlichen Bestätigung ihres Ent- 
schlusses, an der unbedingten Neutralität festzuhalten. 
Auf die aus Anlaß verschiedener Aeußerungen radikaler Politiker er- 
folgte Anfrage des konservativen Abg. Wulff erklärt der Verteidigungsminister 
Dr. Munch namens der Regierung: Die dänische Regierung und der Reichstag 
befinden sich in vollkommener Einigkeit darüber, daß die Politik Dänemarks 
auf unbedingte und unparteiische Neutralität gerichtet sein müsse. 
Die Regierung sei keinen Augenblick im Zweifel darüber, daß alle Parteien 
des Landes eine unerschütterliche Neutralitätspolitik wünschten und ver- 
langten, um den Frieden zwischen Dänemark und allen anderen Staaten 
zu erhalten. Die ausnahmsweise in anderer Richtung gefallenen Aus- 
lassungen würden von allen Parteien mißbilligt. Während des gegenwärtigen 
Krieges sei es notwendig, daß Dänemark seine militärischen Mittel derart 
bereit halte, daß es gegebenenfalls seine Rechte wahrnehmen und seine 
Pflichten erfüllen könne, die ihm als neutralem Staat oblägen. Von diesem 
Gesichtspunkte aus seien die verschiedenen militärischen Maßnahmen ge- 
troffen worden. Wäre die Regierung nicht von diesem Gesichtspunkt aus- 
gegangen, so hätte sie nicht der Bevölkerung eine so große Bürde und dem 
Staate so große Ausgaben auferlegt. Die Anschauungen über die militäriche 
Frage seien ja sehr verschieden. Aber man handle klug zum Nutzen des 
Vaterlandes, wenn man sich während des Krieges zur Erfüllung der größten 
aller Aufgaben sammle, nämlich Dänemark frei und ohne Schaden durch 
den Krieg zu führen, sowie friedliche und gute Beziehungen zu allen Mächten 
zu erhalten. Es sei bisher gelungen, eine einheitliche Neutralitätspolitik 
zu führen. Die Bestrebungen der Regierung hätten bei dem gesamten 
Reichstage Unterstützung gefunden. Die Regierung setze ihre Bestrebungen in 
der Hoffnung fort, daß ihr diese Unterstützung auch in Zukunft zuteil werde. 
Das Budget wird darauf mit 80 Stimmen einstimmig angenommen. 
18. März. Die drei skandinavischen Mächte überreichen gleich- 
lautende Noten an die französische und englische Regierung wegen der 
von diesen Mächten aus Anlaß der deutschen Proklamation vom 4. Fe- 
bruar bekanntgegebenen Repressalien (s. auch Schweden u. S. 1064). 
17. April. Im Verfassungsausschuß des Reichstags treten alle 
Parteien dem konservativen Vorschlag der grundsätzlichen Einführung 
des Verhältniswahlsystems bei. » 
22. April. (Landsthing.) Die Vorlage betr. Anderung der 
Verfassung und des Wahlrechts wird in dritter Lesung angenommen. 
Danach soll künftig das aktive und das passive politische Wahlrecht 
auch Frauen und Gesinde zustehen; die Wahlrechtsaltersgrenze wird nach 
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