Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1100 Kußland. (Juli 8. 15.) 
von Polen alle staatlichen Hoheitsrechte besetzen soll, mit Ausnahme der für 
die gesamtrussische Zemralgewalt zu reservierenden Rechte, und reiht hieran 
folgende Einzelbestimmungen: 1. Das Gesetzgebungsrecht in Polen übt ein 
Parlament aus, das aus einer einzigen Kammer besteht. 2. Die Zu- 
sammensetzung des Parlaments und die Normen seiner Einberufung und 
Auflösung bestimmt die polnische Verfassung. 3. Nicht zur Kompetenz des 
polnischen Parlaments gehören: a) die auswärtige Politik; b) Kriegs- und 
Armeefragen; c) Zollfragen; d) Bau und Erhaltung solcher Bahnlinien, 
die für das gesamte Reich von Wichtigkeit sind; e) gemeinsame Reichs- 
finanzen, Währungsfragen, ärarische Monopole. 4. Die gemeinsamen An- 
gelegenheiten des Gesamtreichs (gemeinsame Finanzen, Zölle, Reichsverkehrs- 
linien) werden von Delegationen verhandelt, welche alljährlich mindestens 
für einen Monat einberufen werden und aus Mitgliedern der russischen 
Duma und des polnischen Parlaments bestehen. 5. Die königliche Gewalt 
verkörpert ein Vizekönig, der in Warschau residiert und von einem be- 
sonderen Hofstaat umgeben ist. 6. Die kaiserliche Gewalt in das Gesamt- 
reich betreffenden Dingen verkörpert Polen gegenüber der Zar. 7. Die 
Auflösung des Parlaments bildet ein Vorrecht des Königs; Aenderungen 
in der Zusammensetzung des Kabinetts bleiben dem Vizekönig vorbehalten. 
8. Im Verkehr mit dem Vizekönig und den gemeinsamen Zentralbehörden, 
wie auch im inneren Dienst der gemeinsamen Behörden ist die Amts- 
sprache russisch 9. Polen soll keine von der russischen verschiedene Wäh- 
rung besitzen, jedoch kann das Parlament eine besondere Emissionsbank 
schaffen und diese mit der Ausgabe von Kreditscheinen in polnischer und 
russischer Sprache betrauen, denen ein polnischer Goldvorrat als Garantie 
zu dienen hätte. 10. An der Spitze der einzelnen Departements der pol- 
nischen Regierung sollen Staatssekretäre mit ministeriellen Befugnissen 
stehen, von dem Vizekönig unter Berücksichtigung der politischen Richtung 
der Parlamentsmehrheit ernannt, wobei der Vizekönig eine einzelne Per- 
sönlichkeit mit der Kabinettsbildung betrauen und ihr die Wahl der übrigen 
Staatssekretäre überlassen soll. 11. Die zu Polen gehörigen Gebiete ent- 
senden keine Abgeordneten zur Duma. 12. In Polen soll die Gleich- 
berechtigung der Russen, in Rußland die der Polen verfassungsmäßig ver- 
bürgt sein. 
Die Verhandlungen werden vorläufig abgebrochen, ohne daß sie zu 
einem Ziel geführt haben. 
8. Juli. Der Führer der Oktobristen und frühere Präsident 
der Duma, Gutschkow, wird als Adlatus des Kriegsministers in 
das Kriegsministerium berufen. 
8. Juli. Fürst Trubetzkoi wird seines Amtes als Gesandter 
in Belgrad enthoben. 
15. Juli. Ein Kongreß von Delegierten der Allgemeinen 
landwirtschaftlichen Verwaltung tritt in Petersburg zu- 
sammen, um über den Einkauf des Getreidebedarfs der Armee 
zu beraten. . 
Generaldirektor der Landwirtschaft, Staatssekretär Kriwoschein, hält 
dabei eine Rede, in der er sagt, es sei die Aufgabe der Delegierten, die 
Vorbereitungen für die Versorgung der Truppen aus der neuen Ernte im 
Hinblick auf den Kampf gegen den Feind bis zum vollständigen Siege zu 
treffen. Hauptgegenstand der Konferenz sei die Ausarbeitung eines all-
	        
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