Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

742 Großbritannien. (März 5. —9.) 
wenn wir sie nicht ausrüsten können? Dieser Krieg wird nicht auf den 
Schlachtfeldern gewonnen, sondern von den Arbeitern in den Fabriken. 
In Deutschland strengen Arbeitgeber und Arbeiter einmütig ihre Kräfte 
bis zum äußersten an, ihr aber streikt um Lohnerhöhung, ihr wollt nur 
fünf Tage in der Woche arbeiten, und wenn ihr eintretet, seid ihr nicht 
leistungsfähig, weil ihr dem Alkohol frönt. Englands Schicksal darf davon 
nicht abhängen! Eure Trunksucht tut England größeren Schaden als alle 
deutschen Unterseeboote zusammen. Wir müssen siegen und können es. Ein 
Volk, das das Verbrechen gegen Belgien auf dem Gewissen hat, kann nicht 
durchhalten. Wir haben die größere moralische Kraft und überwältigende 
materielle Hilfsmittel. Wenn Deutschland siegte, bedeutete das Englands 
Vasallentum unter einem Deutschland, das jeden Funken Freiheit in Strömen 
Blutes ertränken würde. Darum muß der Krieg gewonnen werden, oder 
er wird verloren durch die Versäumnisse der technischen Hilfskräfte. Ihr 
meint vielleicht, daß ich Dinge sage, die besser für den Feind verheimlicht 
werden müßten; aber ihr könnt glauben, daß er dies weiß, und ich will 
für das Volk keine Dinge verheimlichen, die es wissen muß. Eine Nation, 
die die Wahrheit nicht vertragen kann, ist nicht geeignet für einen Krieg. 
Wir sind keine furchtsame Rasse. Wir appellieren an die Mitwirkung der 
Arbeitgeber, der Arbeiter und des Publikums. Wir brauchen die Hilfe 
eines jeden Mannes. Wir verspotten Erscheinungen in Deutschland, die 
uns erschrecken müßten. Seht, wie man dort Brot aus Kartoffeln macht. 
Ich sage euch, daß dieser „Kartoffelbrotgeist“ viel mehr zu fürchten als zu 
verspotten ist. Ich fürchte ihn mehr als Hindenburgs tatkräftige Strategie. 
Ich glaube, daß wir auch von jenem Geiste erfüllt sind, aber dem Durch- 
schnittsengländer ist Heldentum abhold, es sei denn, daß er dazu auf- 
gefordert wird. 
5. März. (Unterhaus.) Die Unentbehrlichkeit der deutschen 
Anilinfarben. 
Lord Beresford fragte im Unterhaus den Premierminister, ob die 
Ankündigung, daß von jetzt an keine Güter die Häfen der Feinde verlassen 
oder durch sie eingeführt werden dürfen, auch die Einfuhr von Anilin- 
farben nach England ausschliesse. Handelsminister Runciman antwortete, 
daß das nicht der Fall sei. Beresford fragte weiter, ob das nicht eine 
Modifikation der Ankündigung des Premiers bedeute. Asquith verneinte. 
Runciman sagte weiter, die Erlaubnis zur Einfuhr von Anilin sei not- 
wendig für das Kriegsamt, die Admiralität und Zivilzwecke. Neill fragte 
an, ob es unter diesen Umständen möglich sein werde, die Ausfuhr von 
Farben nach Amerika zu verhindern. Runciman antwortete, er könne auf 
eine Erörterung der Frage nicht eingehen, es sei aber notwendig, einige 
Güter aus Deutschland zu beziehen. Wenn England z. B. Explosivstoffe 
brauchte und sie aus Deutschland bekommen könnte, würde es sie ohne 
Bedenken einführen. 
7. März. Nach Mitteilung der Admiralität wurde ein neues 
großes System von Minenfeldern zwischen Great Yarmouth und 
dem englischen Kanal angelegt. 
9. März. Die „Times“ veröffentlicht unter dem Titel „Warum 
führen wir Krieg?“ einen Aufsatz, der zugibt, daß die Verletzung 
der belgischen Neutralität von seiten Deutschlands nicht der wahre 
Grund zur englischen Kriegserklärung war.
	        
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