Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Kußland. (November 11. 14.) 1141 
von 10000 Kanonen sind. Die Blüte der russischen Nation quält sich ab 
in der deutschen Gefangenschaft oder ist auf den Kampffeldern begraben. 
Viele Leute sind selbstverständlich noch in Rußland geblieben, aber die- 
jenigen lügen oder irren sich in unverzeihlicher Weise, die sich vorstellen, 
daß man aus dieser Masse möglichst schnell für den Krieg geeignete Armeen 
schaffen kann. Wie im Jahre 1905 während des japanischen Krieges sollte 
die Losung des Proletariates die Forderung der Einberufung einer gesetz- 
gebenden Gewalt sein zur Liquidierung des Kriegs und zur Liquidierung 
des Despotentums und seiner Verfassung vom 3. Juni. 
11. Nov. Die deutschfeindliche „Gazette de Lausanne“ veröffent- 
licht folgendes „Vertrauliche Zirkular“ des früheren russischen Mini- 
sters des Innern Maklakow über das Polenmanifest des Groß- 
fürsten Nikolai Nikolajewitsch: 
Was das Manifest des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch betrifft, so 
ermächtige ich die Gouverneure auf die mir vorgelegte Frage über das 
Verhalten zur Bevölkerung des Weichselgebiets dahin, daß das Manifest 
sich nicht auf das Weichselgebiet bezieht, da es nur diejenigen polnischen 
Landesteile im Auge hat, die nicht zum russischen Reiche gehören und die 
der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch im Laufe der Kriegsoperationen wird 
erobern können. Soweit dies nicht der Fall sein wird, wird nichts in der 
politischen Lage des Weichselgebiets geändert sein. Man muß nur die vor- 
handenen Reglements mit mehr Wohlwollen auf die polnische Bevölkerung 
anwenden. 
14. Nov. Das Mitglied des Reichsrats Senator Trepow wird 
an Stelle Nuchlows mit der Leitung des Ministeriums für Ver- 
kehrswege beauftragt. 
14. Nov. Voranschlag des Staatsbudgets für 1916: 
Ordentliche Einnahmen 2914083005 Rubel, außerordentliche Ein- 
nahmen 336832192, ordentliche Ausgaben 3174124091, außerordentliche 
Ausgaben 76791106 Rubel. Die gesamten Einnahmen und Ausgaben 
balanzieren mit 3250915197 Rubel, das sind ungefähr 181½ Millionen 
Rubel mehr als 1915. In seiner Begründung zu dem Voranschlag erklärt 
der Finanzminister, der Fehlbetrag von 260 Millionen Rubel in dem 
Ordinarium sei durch die Abschaffung des Branntweinmonopols, durch die 
Kriegslage und durch das Wachsen der Zahlungen für die Staatskredite 
hervorgerufen worden. Zusammen mit dem Fehlbetrag und den außer- 
ordentlichen Ausgaben beträgt das Gesamtdefizit ungefähr 327 Millionen 
Rubel, deren Deckung durch Kreditoperationen geplant ist. 
Der Finanzminister erachtet es als notwendig, neue Einnahme- 
quellen in erster Linie auf dem Gebiete der direkten Steuern zu schaffen. 
Obenan steht die Einführung einer allgemeinen progressiven Einkommen- 
steuer, die zudem das beste Mittel für eine gerechte Verteilung der Steuer- 
last darstellt. Eine natürliche Ergänzung bildet eine Reorganisation der 
Erbschaftssteuer und Grundsteuer, sowie die Einführung einer be- 
deutenden Grundsteuer in Turkestan, wo bisher Grund und Boden weit 
unter seinem Wert besteuert worden sind, eine Besteuerung der Darlehen 
auf Immobilien und endlich eine zeitweilige Kriegssteuer für die von 
der Wehrpflicht befreiten Personen und andere. Als Objekte einer in- 
direkten Besteuerung sind vorgesehen: Elektrizität, Gewebe, Kartoffel- 
sirup und Pulver. Auch wird eine Erhöhung der Akzise der guten Tabak-
	        
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