Bulgarien. (Juni 24.—Juli 22.) 1175
garien die Neutralität aufrecht erhält, also nicht aktiv in den Krieg ein-
greift, sind vom Vierverband keine Zusagen gemacht worden. Bulgarien
hat auf dieses Angebot nicht direkt geantwortet, sondern, wie bereits ge-
meldet worden ist, weitergehende Gegenforderungen und schärfere Inter-
pretation bestimmter Angebote verlangt.
24. Juni. = Der bisherige Gesandte in Berlin, Generalleutnant
Markow, wird im deutschen Hauptquartier vom Kaiser in Abschieds-
audienz empfangen.
6. Juli. O'Beione, der erste Botschaftsrat der Petersburger
englischen Botschaft, wird zum Gesandten in Sofia ernannt an Stelle
von Bax Inronside.
11. Juli. (Sofia.) Nach elftägigen Verhandlungen hat das
Kriegsgericht im Prozeß gegen die Anstifter des gegen das Leben
des Königs Ferdinand gerichteten Attentats im städtischen Kasino
das Urteil gefällt.
Der Prozeß enthüllt die Aufsehen erregende Tatsache, daß der frühere
Minister Dr. Ghenadiew zu dem Hauptschuldigen Anastasow enge Be-
ziehungen unterhielt und ihm Gelder bis zur Höhe von 10000 Mark gab.
Näheres s. Beck'sche „Chronik des Deutschen Krieges“ Bd. VI S. 384 f.
15. Juli. Es verlautet, daß Verhandlungen zwischen Bul-
garien und der Entente im Gang seien, und daß ersteres in
betreff seiner Forderungen an Serbien eine Note an die Entente-
mächte abgesandt hat.
20. Juli. Erklärung Ministerpräsident Radoslawows.
Das Interesse Bulgariens, sagt der Minister, sei nicht, die Neutralität
für immer beizubehalten; aber um einzugreifen, müsse Bulgarien das feste
Vertrauen haben, sichere Vorteile zu erzielen. Augenblicklich unterhandle
Bulgarien hierüber amtlich mit dem Vierverbande und ferner mit der
Türkei über die Eisenbahn in Thrazien. Bisher habe sich die Rich-
tung der bulgarischen Politik nicht geändert, aber es gebe immerhin ein neues
Element; die bulgarische Armee, welche nach dem Kriege von 1912/13 er-
schöpft war, sei jetzt neu gebildet und stärker denn je. Sie habe ein Cadre
junger, rühriger, vertrauensvoller Offiziere und Kriegserfahrung. Mit dieser
Armee sei Bulgarien auf alle Möglichkeiten vorbereitet.
22. Juli. Die „Times“ meldet aus Sofia über bulgarisch-
türkische Verhandlungen, wonach die Türkei an Bulgarien die
Dedeagatsch-Eisenbahn abzutreten sich bereit erklärt habe; das ge-
samte Gebiet westlich der Maritza soll bulgarisch werden.
Bulgarien soll hiernach die Eisenbahn, die durch die Türkei geht, in
ihrer ganzen Ausdehnung erhalten. Rund um Kara, bei dem Bahnhofe von
Adrianopel, macht Bulgarien Anspruch auf eine Zone von etwa 2900 Metern.
Falls ihm dies zugestanden wird, soll eine neue Eisenbahn angelegt werden,
die der Türkei einen neuen unabhängigen Zugang zu Adrianopel verleiht. —
Das Uebereinkommen schließe keinerlei politische Verpflichtungen für beide
Teile ein. Bulgarien verpflichte sich ebenso wenig neutral zu bleiben, wie
die Durchfuhr der Kriegskonterbande nach der Türkei zu gestatten.