Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1176 Bulgarien. (Juli 23. —September 6.) 
23. Juli. Anastasow und Xantow, die im Attentatsprozeß 
zum Tode verurteilt wurden, werden hingerichtet. 
7. Aug. Die Vertreter der Ententemächte übermitteln dem 
Ministerpräsidenten Radoslawow die Antwort ihrer Regierungen 
auf die bulgarische Note vom 15. Juni. 
Ueber den Inhalt der Note wird berichtet: Der Vierverband verspricht. 
auf Serbien „eine Pression zu üben“ (exercer une pression), und bietet Bul- 
garien seine „Garantie“ an, daß Serbien die sog. nicht-strittige Zone 
Mazedoniens an Bulgarien abtreten werde. Es ist dies das heutige 
serbische Südmazedonien, das nach dem serbisch bulgarischen Bündnisvertrag 
von 1912 nach gemeinsamer Besiegung der Türkei ohne weiteres an Burl- 
garien hätte fallen sollen, aber nach der Besiegung der Bulgaren im zweiten 
Balkankrieg von den Serben behalten wurde. Von dieser nicht umstrittenen 
Zone bringt aber der Vierverband einen Gebietsstreisen an der heutigen 
serbisch-albanischen Grenze in Abzug, damit Serbien und Griechenland 
auch weiterhin eine gemeinsame, wenn auch verkürzte Grenze behalten. 
Auf die bulgarische Frage, was der Vierverband unter dem Hinterland 
von Kawala versteht, das er in seiner vorletzten Note Bulgarien eben- 
falls versprochen hat, wird geantwortet: dies lasse sich nur schwer genau 
usHmschreiben, da der Umfang dieser Abtretung von der Größe der Ent- 
schädigung abhänge, welche Griechenland in Kleinasien bekommen solle. 
8. Aug. Englisch-französische Blockade von Bulgarien. 
Nach neuen Nachrichten ist eine Vermehrung der englischen und fran- 
zösischen Kriegsschiffe erfolgt, die vor dem Hafen von Dedeagatsch kreuzen 
und die Blockade Bulgariens immer fester schließen. 
9. Aug. Eine Anleihe von 500 Millionen Franks ist mit einem 
Syndikat deutscher und österr.-ungar. Banken abgeschlossen worden. 
Näheres s. Beck'sche „Chronik des Deutschen Krieges“ Bd. VII S. 283 f. 
18. Aug. Der Kriegsminister Fitschew tritt zurück; sein Nach- 
folger wird General Jekow, der bei den bulgarisch-türkischen Ver- 
handlungen die militärischen Interessen Bulgariens vertritt. 
2. Sept. Der russische Gesandte Sawinski wird abberufen. 
An seine Stelle soll der Vorstand der Orientabteilung im Petersburger 
Ministerium des Aeußeren, Gulekewitsch, treten. 
3. Sept. Der großbritannische Gesandte O'Beione überreicht sein 
Beglaubigungsschreiben als bevollmächtigter Minister in a. o. Mission. 
3. Sept. Nach Meldung des „Az Est“ ist die Unterzeichnung 
des Vertrags über die Regulierung der thrazischen Grenze 
zwischen der Türkei und Bulgarien heute erfolgt. 
Bulgarien soll danach 2000 Quadratkilometer von Türkisch-Thrazien er- 
halten und das neue Gebiet vierzehn Tage nach der Unterzeichnung des Ab- 
kommens besetzen dürfen. In der Zwischenzeit verlassen die türkischen Behörden 
das Land. Gleichzeitig mit der Unterfertigung wurden auch die Förmlich- 
keiten der feierlichen Uebergabe der türkischen Gebiete an Bulgarien festgestellt. 
6. Sept. Bulgarien stellt den Eisenbahnverkehr nach den griechi- 
schen Stationen der Salonik-Eisenbahn ein.
	        
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