Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1188 Bulgarien. (Dezember 27.) 
Das offiziöse „Echo de Bulgare“ schreibt in Besprechung des griechisch- 
bulgarischen Abkommens: Man muß sich zu dieser weisen Entschließung 
der beiden Regierungen beglückwünschen. Sie beweist auf bulgarischer Seite 
den aufrichtigen Wunsch, die Beziehungen guter Nachbarschaft mit Griechen- 
land auszugestalten und zu festigen und bezeugt, daß auch Griechenland 
vom gleichen Wunsche erfüllt ist. Diese gegenseitige Stimmung kann nur 
von Vorteil für beide Länder sein, die im Laufe des jüngsten Abschnirtes 
der Ereignisse auf dem Balkan bewiesen haben, daß sie nicht beabsichtigen, 
sich als Werkzeug für fremde Zwecke herzugeben zum offenbaren Schaden 
ihrer dauernden Interessen und ihrer Unabhängigkeit. 
27. Dez. Die Sobranje wird mit folgender Thronrede des 
Königs eröffnet: 
M. H.! Ich und meine Regierung haben nach dem Ausbruch des 
europäischen Krieges länger als ein Jahr unerhörte Anstrengungen gemacht. 
um eine Einigung mit unserem serbischen Nachbar zu erzielen, damit er 
uns auf friedlichem Wege die Gebiete, die er uns heimtückisch genommen 
hatte, zurückerstatte. Diese Bemühungen scheiterten an der unerschütterlichen 
Hartnäckigkeit Serbiens, das sich weigerte, uns Mazedonien zurückzugeben. 
Nachdem wir alle friedlichen Mittel zur Erreichung dieses Zieles erschöpft 
hatten, war ich, um den Leiden unserer geknechteten Brüder ein Ende zr 
bereiten, gezwungen, unserer Armee den Befehl zu erteilen, in Serbien ein- 
zudringen, um unsere Brüder zu befreien und die Einheit unserer Nation 
herzustellen. Ich stelle mit Stolz fest, daß unsere Truppen sich mit un- 
vergleichlichem Schwung und außerordentlicher Tapferkeit auf den Feind 
geworfen haben. Schulter an Schulter mit den braven und ruhmgekrönten 
Truppen unserer Verbündeten, Deutschland und Oesterreich-Ungarn, kämpfend, 
haben sie in weniger als zwei Monaten einen hinterlistigen Feind vollständig 
geschlagen und ihn aus seinen Gebieten hinausgeworfen. Sie haben sodann 
etwas noch Ruhmvolleres getan: die Truppen, die zwei große Mächte. 
England und Frankreich, zur Schande der Zivilisation und ihrer eigenen 
Länder gegen die gemarterte bulgarische Nation gesandt hatten, um die 
serbische Tyrannei über sie aufrechtzuerhalten, sind aus Mazedonien verjagt 
worden, und heute steht kein einziger feindlicher Soldat auf dem unseren 
Helden, den Märtyrern der Vergangenheit und der ruhmreichen Gegenwart, 
so teuren Boden. 
Ruhm sei der siegreichen bulgarischen Armce, die durch ihre Tapferkeit, 
ihre Ausdauer und ihren Schwung unser Vaterland und unsere Waffen 
neuerdings berühmt gemacht hat. Sie hat sich die ewige Dankbarkeit ihrer 
befreiten Brüder erworben und war glücklich, ihre Freude und Begeisterung 
zu teilen, als sich die unvergeßlichen rührenden Szenen in den Städten ab- 
spielten, wohin sie die Freiheit gebracht und wo sie die Ketten der Sklaverei 
gesprengt hatten. Ich gedenke mit Ehrfurcht unserer auf dem Schlachtfelde 
gefallenen Helden, die mit ihrem Blute das nationale Ideal besiegelt haben. 
M. H.! Meine Regierung wird Ihnen bloß ein Budgetprovisorium 
für die erste Hälfte von 1916 unterbreiten, sowie die Kreditforderungen. 
welche notwendig sind für die Erfordernisse des Krieges, für die Erhaltung der 
Familien der ärmeren Soldaten, für die Aufrechterhaltung der Ordnung 
und die Verwaltung der von unseren Truppen erlösten und besetzten Gebiete 
sowie für die Organisation der an den beiden Ufern der Maritza gelegenen 
Gebiete, die gemäß dem Uebereinkommen mit dem verbündeten türkischen 
Reiche an Bulgarien als Unterpfand dauernder Freundschaft und glücklicher 
Zusammenarbeit, entsprechend den höheren gemeinsamen Interessen der 
beiden Staaten, abgetreten worden sind. Meine Regierung wird Ihrer
	        
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