Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Lerbien. (Oktober 20.—Dezember 30.) 1215 
20. Okt. Das diplomatische Korps ist von Nisch nach Mo- 
nastir übergesiedelt mit der Abteilung des Auswärtigen Amtes, 
allen Archiven u. der Nationalbank. Die Regierung verbleibt in Nisch. 
26. Okt. Ministerpräsident Paschitsch richtet folgenden Hilfe- 
ruf nach London: 
Serbien macht übermenschliche Anstrengungen, um seine Existenz zu 
verteidigen und so dem Rate und dem Wunsche seines großen Verbündeten 
zu entsprechen. Dafür ist Serbien von den Deutschen, Oesterreichern und 
Bulgaren zum Tode verurteilt. Zwanzig Tage lang haben unsere gemein- 
samen Feinde versucht, uns zu vernichten. Trotz des Heldenmutes unserer 
Soldaten ist nicht zu erwarten, daß der Widerstand noch unbeschränkt fort- 
gesetzt werden kann. Wir bitten Sie, die vielen Freunde Serbiens in Eng- 
land, alles, was möglich ist zu tun, um den Anschluß Ihrer Truppen an 
die unseren zu sichern, damit sie unserer Armee helfen und wir zusammen 
die gemeinsame Sache verteidigen, die jetzt so schwer bedroht ist. 
7. Nov. Telegrammwechsel zwischen Briand und Paschitsch. 
Anläßlich der Uebernahme der Regierung richtet Briand an Paschitsch 
eine Depesche, in der er ihm seine volle Beihilfe zusichert, um das gemein- 
same Werk zu vollbringen, und in der er die Bewunderung Frankreichs 
für das heldenmütige Serbien ausdrückt. Paschitsch antwortet, daß Serbien 
entschlossen sei, alle Opfer zu bringen. Unterstützt von seinem heldenmütigen 
Verbündeten, werde es bis zum Ende des Krieges durchhalten. 
8. Nov. Der frühere serbische Finanzminister Petrowitsch ver- 
urteilt die russophile Wendung der serbischen Politik. 
Siehe Näheres Beck'sche Chronik des Deutschen Krieges Bd. X S. 262 f. 
11. Nov. General Sarrail hat dem serbischen Hauptquartier 
angeraten, den allgemeinen Rückzug nach Montenegro, Skutari und 
Durazzo zu leiten, da sonst keine Hoffnung bestehe. 
21. Nov. Die Regierung verläßt die Stadt Mitrowika und 
begibt sich nach Skutari. 
27. Nov. Die Gesandten Italiens, Frankreichs, Englands und 
Rußlands treffen in Andrievica ein. 
18. Dez. Der Goldschatz im Betrag von 18 Millionen Franken 
wird nach der französisch-serbischen Bank in Paris gebracht. 
22. Dez. Dokumentenfund in Nisch. 
Im Palais des serbischen Thronfolgers Alexander in Nisch werden 
zahlreiche wichtige Dokumente gefunden, darunter der umfangreiche Brief- 
wechsel Alexanders mit gekrönten Häuptern, ferner einige Handschreiben des 
Zaren. Unter den letzteren befindet sich ein Handschreiben, das die serbisch- 
bulgarischen Beziehungen und die Verhandlungen Bulgariens mit den 
Ententemächten betrifft. 
26. Dez. König Peter trifft aus Valona in Brindisi ein und 
reist nach Rom weiter. 
30. Dez. Der Oberbefehlshaber der Armee Woiwode Putnik 
muß auf ärztlichen Rat vorläufig die Leitung der Operationen ab- 
Europäischer Geschichtskalender. LVI. 77
	        
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