Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Griechenland. (März 9.—15.) 1219 
Die Besetzung der Portefeuilles ist folgende: Vorsitz und Krieg Gunaris; 
Auswärtiges Zographos; Verkehr Baltadjis; Kultus und öffentlicher Unter- 
richt Vozikis; Finanzen Protopapadekis: Inneres Triantafyllakos; Volks- 
wirtschaft Autatias; Justiz Tsaldars; Marine Stratos. Der König hat die 
Liste genehmigt. 
9. März. Das neue Ministerium Gunaris erläßt folgende 
halbamtliche Kundgebung: 
Griechenland hatte nach seinen siegreichen Kämpfen das dringende Be- 
dürfnis nach einer langen Friedensperiode, um am Gedeihen des Landes 
arbeiten zu können. Die Organisation der öffentlichen Verwaltung, der Streit- 
kräfte zu Lande und zu Wasser sowie der Entwicklung des Nationalvermögens 
sicherten ihm die mit so vielen Opfern errungenen Güter gegen jeden An- 
griff und gestatteten ihm auch, ein dem Staatswohl dienendes Programm 
durchzuführen und eine den nationalen Ueberlieferungen entsprechende Politik 
zu treiben. Unter diesen Umständen war vom Beginne der europäischen Krisis 
an für Griechenland die Neutralität geboten. Griechenland hatte jedoch 
und hat immer die unbedingte Aufgabe, seinen Bündnispflichten nach- 
zukommen und der Erfüllung seiner Interessen nachzugehen, ohne freilich 
die Unverletzlichkeit seines Gebiets gefährden zu dürfen. Im Bewußtsein 
der Pflicht, auf diese Weise den Interessen des Landes zu dienen, spricht 
die Regierung die Ueberzeugung aus, daß die Vaterlandsliebe des Volkes 
deren volle Mahrung sichern wird. 
10. März. Das neue Ministerium legt die Eidesleistung ab. 
13. März. Die Kammer wird um einen Monat vertagt. 
13. März. Die Insel Lemnos wird von England als Flotten- 
stützpunkt benützt. 
14. März. Ein königl. Erlaß genehmigt eine Anleihe von 
40 Millionen Franken bei der griechischen Nationalbank. 
15. März. Erklärung von Venizelos über den Kabinettswechsel. 
In einer Unterredung mit dem Korrespondenten des „Corriere della 
Sera“ erklärt Venizelos, der Kabinettswechsel sei dadurch veranlaßt 
worden, daß er den Augenblick für gekommen gehalten habe, an der Seite 
der Verbündeten den Krieg zu beginnen, während der König für die Bei- 
behaltung der Neutralität eingetreten sei. Da die Kammer aufgelöst sei und 
die neue erst in zweieinhalb Monaten zusammentrete, sei es möglich, daß 
Griechenland nicht mehr intervenieren könne, aber er hoffe, daß die neue 
Regierung eine kriegerische Politik befolgen werde, dann wolle er das 
neue Kabinett unterstützen. Der Gedanke, Konstantinopel für Griechenland 
zu erwerben, habe ihm ferngelegen. Griechenland hätte andere Entschädi- 
gungen bekommen können. 
Ueber die bisherige Politik Griechenlands seit Kriegsausbruch teilt 
Venizelos mit: Nach dem Kriegsausbruch, als Serbien sich mühevoll gegen 
Oesterreich verteidigte, lud die Entente zweimal Griechenland ein, den Ver- 
bündeten und Serbien Hilfe zu leisten. Er, Venizelos, habe abgelehnt, da 
die Mächte ihn nicht vor einem bulgarischen Angriff sichergestellt hätten. 
Nach Beginn der Beschießung der Dardanellen wünschten die Mächte aber- 
mals griechische Hilfe und fragten zunächst nur offiziös bei Venizelos an, 
ob er diesem Vorschlag geneigt sei. Er habe aber gleich geantwortet, der 
König werde dagegen sein. Darauf habe die Entente Venizelos eingeladen, 
den König zu besragen und den Kronrat einzuberufen. Venizelos habe vor-
	        
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