Griechenland. (November 3.) 1235
garien niedergehalten worden sein. Man behauptet, daß bei den Wahlen im
Frühjahre nicht eine klare Frage dem Volke vorgelegt worden sei. Aber
das Volk kannte im allgemeinen die Ziele der liberalen Partei und ant-
wortete dem König, daß es dieser Partei wieder sein Geschick anvertrauen
wolle. Ueber die 150000 Mann sagt er, daß Serbien jetzt 120000 gegen
Bulgarien gestellt hat und daß daher nur 30000 fehlen, die von dem Ver-
bande gestellt worden sind. Meine Politik ist nicht ausgeführt worden, da-
mit wir jetzt die Katastrophen sehen. Wäre meine Politik befolgt worden,
so ständen wir jetzt nicht weit von Sofia, und Serbien hätte das deutsch-
österreichische Heer aufhalten können, das nicht 300000 zählt, wie die Re-
gierung sagt. Ich verstehe ferner nicht, wie die Regierung eine politische
Krisis herbeiführen kann, die zu Neuwahlen führt, wenn sie eine bewaffnete
Neutralität beibehalten will, die doch keine Wahlen gestattet. Sodann be-
schuldigt er die jetzige Regierung, daß sie noch die Ideen der früheren
Parteien habe, die zwar von einem größeren Griechenland geträumt, aber
kein Heer dazu vorbereitet hätten. Ueber die Versprechungen des Verbandes
sagt er, daß Cypern auf jeden Fall, ein Teil von Kleinasien nur im Falle
des Sieges versprochen sei. Ihm persönlich sei außerdem zugesagt worden,
daß die Bulgaren wieder von der Küste des Aegäischen Meeres verdrängt
werden würden. Auch Doiran und Strumitza würde Griechenland erhalten
haben. Dann fährt er fort: Durch Eure Politik wird die Verwirklichung
unserer nationalen Wünsche verhindert, die bulgarischen Träume werden
erfüllt und die Türkei bleibt bestehen zum Leidwesen des Hellenismus. Den
Kampf mit Bulgarien können wir nicht vermeiden; er wird in einigen
Jahren kommen und dann unser Land in eine tragische Lage bringen. Beim
Siege der Mittelmächte werden wir Bulgarien gegenüber in derselben Lage
sein, wie nach dem Kriege von 1897 der Türkei gegenüber. Und wegen
unserer Haltung werden wir beim Siege des Verbandes uns auch in schlechter
Lage befinden. Daher müssen wir heute den unvermeidlichen Krieg unter-
nehmen, unseren Erbfeind vernichten und den Verband in seinem Kampf
unterstützen. Zum Schlusse gebe ich den Rat, die Ideen des alten Griechen-
land zu lassen und trotz der großen Verantwortung und der großen Opfer
an das neue größere Griechenland zu denken. Eure Politik führt das Land
ins Verderben und verpaßt eine gute Gelegenheit, wie sie sich den Völkern
nur einmal in Jahrtausenden bietet.
Minister Rallis: Ihre an die Krone gerichteten Anklagen sind un-
gerecht besonders dem gegenüber, dem wir die großen Taten verdanken,
und der Sie mit soviel Vertrauen umgab, ohne das Sie vielleicht nicht
soviel Vertrauen beim Volke gefunden hätten. Sodann widerlegt er das
von Venizelos über das neue und alte Griechenland Gesagte und fügt hinzu:
Der Horizont Ihres neuen Griechenlands war vor kurzem viel enger, denn
hier in der Kammer haben Sie den thrakischen Hellenismus abgelehnt, und
heute sollen wir das Rückgrat Griechenlands in der Küste Kleinasiens sehen.
Das alte Griechenland wollte den ganzen Hellenismus vereinigen und traf
die Vorbereitungen dazu: Sie haben sich an den fertigen Tisch gesetzt. Wir
haben auch Ihre Politik von 1912 verurteilt, die uns 300000 Flüchtlinge
verschafft hat. Wir sagten damals, daß wir vor dem unvermeidlichen Kampfe
zwischen Bulgarien und der Türkei unsere Kräfte stark halten müßten, um
bessere Bedingungen bei den Verhandlungen zu erreichen. So übersehen Sie
auch heute die großen Gefahren und denken nur an Bulgarien. Durch
unsere bewaffnete Neutralität entscheiden wir uns nicht für eine der beiden
Parteien Europas, sondern zeigen nur, daß wir uns nicht unüberlegt in
den Kampf stürzen wollen. Serbien wurde verlassen und wird jetzt vernichtet.
So würde es auch uns gehen, wenn wir uns in den ungleichen Kampf ein-