Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1236 Griechenland. (November 5.—10.) 
ließen. Er spricht dann noch über die Abtretung von Cypern und über die 
anderen Versprechungen und sagt: Diese haben wir unbeachtet gelassen und 
uns an die Tatsachen gehalten. So überzeugten wir uns, daß wir uns 
großen Gefahren aussetzen würden, wenn wir Ihre Politik befolgten und 
uns in den Kampf stürzten. Wir wollen unsere Kräfte unversehrt erhalten 
und glauben so unsere nationalen Interessen seinerzeit sicherer verteidigen 
zu können. 
Minister Gunaris: Wie können Sie eine Vergrößerung Bulgarien= 
bei dem Siege des Verbandes fürchten, an den Sie glauben? Wenn aber 
die Mittelmächte siegen, sollen wir da nicht die Freiheit haben, uns nicht 
so vernichten zu lassen, wie es unserem unglücklichen Nachbarn geschehen 
ist? Wären uns die großen Versprechungen gemacht und Sicherheiten dafür 
gegeben worden, wie Venizelos behauptet, so würden wir des Hochverrat= 
schuldig sein, wenn wir sie abgelehnt hätten. Mit der einen Division, die 
wir nach den Dardanellen schicken sollten, wären diese nicht gefallen, wie 
sie heute trotz der großen Heere noch nicht eingenommen sind. Auch mit 
unserem ganzen Heere können wir in dem gewaltigen Kampfe, in dem auf 
jeder Seite etwa zehn Millionen Krieger stehen, wenig zum Ausgange des 
Krieges beitragen. Der weite Horizont Griechenlands wird nicht erst Veni- 
zelos verdankt, sondern alle Generationen haben ihn gehabt und zu seiner 
Verwirklichung beigetragen. 
Abg. Lukas Ruphos, bisher Venizelist und früher Gouverneur von 
Kreta, erklärt, daß er sich davon überzeugt habe, daß die Politik von Veni- 
zelos seit dem Februar falsch war. Zweimal sei Griechenland durch den 
König gerettet worden. 
Abg. von Sparta, Petrakakos, spricht sein höchstes Erstaunen dar- 
über aus, daß ein solches nationales Gesetz Widerspruch gefunden habe, 
daß ferner ein so verdienter Soldat wie der Kriegsminister hier beleidigt 
worden sei und daß Venizelos jetzt zum dritten Male versuche, seine kriege- 
rische Politik durchzusetzen. Die Kammer werde heute zu ihrem Schwanen- 
gesang getrieben. Er sucht dann zu zeigen, was Griechenland in den ver- 
schiedenen Fällen des Ausganges des Krieges zu erwarten habe, und beweist. 
daß die Politik des Königs die richtige sei. Die Gedanken jedes Griechen 
wenden sich in diesen kritischen Augenblicken zu dem großen König, der 
Griechenland verdoppelt und auch mehrmals verhindert hatte, daß Griechen- 
land das Schicksal Belgiens teile. 
Nachdem noch mehrere Abgeordnete gesprochen haben, beginnt die Ab- 
stimmung. Es stimmen 261, davon 114 für die Regierung, 147 für 
Venizelos, 3 enthalten sich der Abstimmung. Ministerpräsident Zaimis 
erklärt darauf, daß die Regierung um ihre Entlassung bitten werde. 
5. Nov. Der König beauftragt Skuludis mit der Bildung 
des neuen Kabinetts. 
8. Nov. Skuludis legt dem König die neue Ministerliste 
vor. Das neue Kabinett setzt sich, wie folgt, zusammen: 
Ministerpräsident und Minister des Aeußern Skuludis, Unterricht 
Michalidakis, Justiz und Verkehrswesen Rhallis, Inneres Gunaris, 
Volkswirtschaft Theotokis, Krieg Janakitsa, Marine Kunduriotis, Finanzen 
Dragumis. 
10. Nov. Da 27 Abgeordnete der Venizelistenpartei aus der 
Partei austreten, erhält die Regierung eine kleine Mehrheit in der 
Kammer.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.