Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Auheng in ben Pereinigten Staaten von Nordameriks. (Februar 12.) 1299 
machung offenbar beabsichtigte Vorgehen möglicherweise herbeiführen kann. Die 
amerikanische Regierung schätzt diese möglichen Folgen mit solcher Besorgnis 
ein, daß sie es unter den obwaltenden Umständen als gerecht, ja auch als ihre 
Pflicht erachtet, die Kaiserlich Deutsche Regierung zu ersuchen, vor einem tat- 
sächlichen Vorgehen die kritische Lage zu erwägen, die in den Beziehungen der 
Vereinigten Staaten zu Deutschland entstehen könnte, falls die deutschen See- 
streitkräfte in Befolgung der durch die Bekanntmachung des Admiralstabes an- 
gekündigten Maßnahmen irgendein Kauffahrteischiff der Vereinigten Staaten 
zerstörten, oder den Tod eines amerikanischen Staatsangehörigen verursachten. 
Es ist selbstverständlich nicht nötig, die deutsche Regierung daran zu 
erinnern, daß einer kriegführenden Nation in bezug auf neutrale Schiffe 
auf hoher See lediglich das Recht der Durchsuchung zusteht, es sei denn, 
daß eine Blockadeerklärung ergangen ist und die Blockade effektiv aufrecht 
erhalten wird. Die Regierung der Vereinigten Staaten nimmt an, daß eine 
Blockade im vorliegenden Falle nicht beabsichtigt ist, eine Erklärung oder 
Ausübung des Rechts, jedes Schiff anzugreifen und zu zerstören, das ein 
näher umschriebenes Gebiet auf offener See befährt, ohne erst festgestellt 
zu haben, ob es einer kriegführenden Nation gehört, oder ob seine Ladung 
Konterbande ist, wäre eine Handlungsweise, die so sehr im Widerspruch 
mit allen Präzedenzen der Seekriegführung steht, daß die amerikanische Re- 
gierung kaum annehmen kann, daß die Kaiserlich Deutsche Regierung im 
vorliegenden Falle nicht alles mögliche ins Auge faßte. Der Verdacht, daß 
einzelne Schiffe zu Unrecht eine neutrale Flagge führen, kann nicht eine 
berechtigte Vermutung schaffen dahin gehend, daß alle Schiffe, die ein näher 
umschriebenes Gebiet durchfahren, demselben Verdacht unterliegen. Gerade, 
um solche Flaggen aufzuklären, ist nach Ansicht der amerikanischen Regie- 
rung das Recht der Durchsuchung anerkannt worden. 
Die amerikanische Regierung hat von der Denkschrift der Kaiserlich 
Deutschen Regierung, die zugleich mit der Bekanntmachung des Admiral- 
stabes ergangen ist, eingehend Kenntnis genommen. Sie benützt diese Ge- 
legenheit, die Kaiserlich Deutsche Regierung mit größter Hochschätzung darauf 
aufmerksam zu machen, daß die Regierung der Vereinigten Staaten zu einer 
Kritik wegen nicht neutraler Haltung, der sich nach „Ansicht der 
deutschen Regierung die Regierungen gewisser anderer neutraler Staaten aus- 
gesetzt haben, keine Veranlassung gegeben hat. Die Regierung der Vereinigten 
Staaten hat keiner Maßnahme zugestimmt oder hat es bei keiner solchen be- 
wenden lassen, die von den anderen kriegführenden Nationen im gegenwärtigen 
Kriege betroffen worden sind und die auf eine Beschränkung des Handels hin- 
zielen. Vielmehr hat sie in allen solchen Fällen eine Haltung eingenommen, die 
ihr das Recht gibt, diese Regierung in der richtigen Weise für alle eventuellen 
Wirkungen auf die amerikanische Schiffahrt verantwortlich zu machen, welche 
durch die bestehenden Grundsätze des Völkerrechts nicht gerechtfertigt sind. 
Daher erachtet sich die amerikanische Regierung im vorliegenden Falle mit 
gutem Gewissen auf Grund anerkannter Prinzipien für berechtigt, die in der 
Note angedeutete Haltung einzunehmen. Falls die Kommandanten deutscher 
Kriegsschiffe auf Grund der Annahme, daß die Flagge der Vereinigten Staaten 
nicht in gutem Glauben geführt werde, handeln sollten, und auf hoher See ein 
amerikanisches Schiff oder das Leben amerikanischer Staatsangehöriger ver- 
nichten sollten, so würde die Regierung der Vereinigten Staaten in dieser Hand- 
lung schwerlich etwas anderes als eine unentschuldbare Verletzung neutraler 
Rechte erblicken können, die kaum in Einklang zu bringen sein würde mit den 
freundschaftlichen Beziehungen, die jetzt glücklicherweise zwischen den beiden 
Regierungen bestehen. Sollte eine solche beklagenswerte Situation bestehen, 
so würde sich die Regierung der Vereinigten Staaten, wie die Kaiserlich
	        
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