Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

762 Großbritannien. (Mai 7.) 
7. Mai. Das Handelsamt gibt ein Ausfuhrverbot für Kohlen 
und Koks nach allen Häfen außer den von England besetzten und 
denen der Verbündeten bekannt. 
Das Verbot wird auf den Bericht der Untersuchungskommission zu- 
rückgeführt, wonach England während der drei ersten Monate des Jahres 
5878948 Tonnen Kohlen nach neutralen Ländern ausgeführt habe. Das 
Verbot hat eine große Erregung unter den Zechenbesitzern zur Folge. 
7. Mai. Der Cunard-Dampfer „Lusitania“ ist von einem 
deutschen U-Boot torpediert worden und gesunken. 
Am 8. Mai gibt Reuter bekannt: Die Torpedierung der „Lusitania" 
erfolgte gestern mittag 2 Uhr 33 Minuten, nach einer anderen Meldung 
2 Uhr 15 Minuten. Das Schiff blieb noch 20 Minuten flott. Passagiere 
und Bemannung zählten zusammen 1900, nach einem anderen Bericht 1978. 
und zwar 290 Passagiere erster, 662 zweiter, 361 dritter Klasse und 665 
Mann Besatzung. 20 Boote konnten zu Wasser gelassen werden. Nach einer 
Meldung der Admiralität wurden 500 bis 600 Ueberlebende in Queens- 
town an Land gebracht. Viele mußten ins Krankenhaus gebracht werden: 
mehrere starben. Auch in Kinsale ist eine Anzahl von Passagieren geretet 
worden. Der Hafenadmiral von Queenstown sandte eine Anzahl kleinerer 
Fahrzeuge nach der Stelle, wo der Dampfer sank. 6 
In der unmittelbar nach dem Untergang der „Lusitania“ in Kinsale 
stattfindenden gerichtlichen Untersuchung erklärt Kapitän Turner: 
Als die gefährliche Zone erreicht wurde, wurden alle Boote zum Herab- 
lassen klar gemacht und alle Schotten geschlossen. Die Geschwindigkeit wurde 
wegen des Nebels auf 15 Knoten vermindert, dann aber wieder allmählich 
auf 18 Knoten erhöht. Es wurden drahtlose Telegramme empfangen, aber 
keine ausgeschickt. Plötzlich rief ein Offizier: „Da ist ein Torpedo!“ Der 
Kapitän lief nach der Seite des Dampfers und sah noch das Schaumband. 
Der Torpedo traf. Der Kapitän ordnete an, daß die Boote ausgesetzt und 
Frauen und Kinder zuerst in Sicherheit gebracht würden. Es wurde ver- 
geblich versucht, die Boote herabzulassen, ehe die Geschwindigkeit verringert 
worden war. Das Schiff hatte noch Fahrt, als es sank. Es blieb 20 Mi- 
nuten lang flott. Zwei Leute waren am Auslug. Es entstand keine Panik. 
Der Kapitän erklärte zum Schluß, er habe genau seine Befehle befolgt und 
würde zum zweiten Male wieder so handeln. Er sei vor der Abfahrt nicht 
direkt gewarnt worden, daß die „Lusitania“ torpediert werden würde, aber 
er habe von der Admiralität mit Rücksicht auf die durch Unterseeboote 
drohende Gefahr Weisung erhalten, die er jedoch nicht mitteilen könne. 
Diese Instruktion habe er, so gut er könne, befolgt. 
Nach Vernehmung der Zeugen und Aufnahme des Tatbestandes gibt 
das Gericht folgenden Wahrspruch ab: Der Paketdampfer „Lusitania" 
ist durch zwei Torpedoschüsse eines oder mehrerer deutscher Unterseeboote 
vernichtet worden. Diese Tat stellt ein furchtbares Verbrechen dar, das dem 
Menschenrecht zuwiderläuft und alle Vereinbarungen zivilisierter Völker ver- 
letzt. Im Hinblick auf diese Tatsachen erheben wir feierlich gegen die Offiziere 
des betreffenden deutschen Unterseebootes sowie gegen die deutsche Regierung, 
die den Offizieren diese Tat befahl, gemeinsam Anklage wegen Mordes. 
Nach einem Telegramm des englischen Ministeriums des Aeußern 
vom 8. Mai befanden sich außer der Besatzung, der Nationalität nach, 
solgende Passagiere an Bord der „Lusitania“: 
1. Klasse: 179 Engländer, 106 Amerikaner, 3 Griechen, 1 Schwede, 
1 Mexikaner, 1 Schweizer;
	        
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