Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1326 Auha#s iu den Vereinigten Staaten von Uerdamerika. (Juli 23.) 
amerikanische Bürger, in Kriegszeiten auf Schiffen unter feindlicher Flagge 
nach Europa zu reisen, dürfte demnach nicht vorliegen. Insbesondere ver- 
mag die Kaiserliche Regierung nicht zuzugeben, daß amerikanische Bürger 
ein feindliches Schiff durch die bloße Tatsache ihrer Anwesenheit an Bord 
zu schützen vermögen. Deutschland ist lediglich dem Beispiel Englands ge- 
folgt, als es einen Teil der See zum Kriegsgebiet erklärte; Unfälle, die in 
diesem Kriegsgebiet Neutralen auf feindlichen Schiffen zustoßen sollten. 
könnten daher nicht wohl anders beurteilt werden als Unfälle, denen Neu- 
trale auf dem Kriegsschauplatz zu Lande jederzeit ausgesetzt sind, wenn sie 
sich trotz vorheriger Marnung in Gefahr begeben. 
Sollte sich jedoch die Erwerbung neutraler Passagierdampfer für die 
amerikanische Regierung nicht in ausreichendem Umfang ermöglichen lassen. 
so ist die Kaiserliché Regierung bereit, keine Einwendungen dagegen zu 
erheben, daß die amerikanische Regierung vier Passagierdampfer feindlicher 
Flagge für den Passagierverkehr Nordamerika—England unter amerikanische 
Flagge bringt. Die Zusage für die „freie und sichere“ Fahrt ameri- 
kanischer Passagierdampfer würde dann unter den gleichen Vorbedingungen 
auch auf diese früher feindlichen Passagierdampfer ausgedehnt werden. 
Der Herr Präsident der Vereiigten Staaten hat in dankenswerter 
Weise sich zur Uebermittlung und Anregung von Vorschlägen an die groß- 
britannische Regierung insonderheit wegen Aenderung des Seekrieges bereit 
erklärt. Die Kaiserliche Regierung wird stets von den guten Diensten des 
Herrn Präsidenten gern Gebrauch machen und gibt sich der Hoffnung bin. 
daß seine Bemühungen sowohl im vorliegenden Falle wie auch für das 
große Ziel der Freiheit der Meere zu einer Verständigung führen werden. 
gez. v. Jagow. 
23. Juli. Mit folgender Note der Vereinigten Staaten gelangt 
der Notenwechsel über die Lusitania-Angelegenheit zum vorläufigen 
Abschluß (vgl. oben Vereinigte Staaten unter dem 1. Sept.): 
Im Auftrage meiner Regierung habe ich die Ehre, Ew. Exzellenz zu 
benachrichtigen, daß die Note der Kaiserlich Deutschen Regierung vom 3. Juli 
d. J. eine sorgfältige Prüfung durch die Regierung der Vereinigten Staaten 
erfahren hat; die Regierung der Vereinigten Staaten bedauert, sagen zu 
müssen, daß sie die Note sehr unbefriedigend gefunden hat, da sie es unter- 
läßt, auf die eigentlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden 
Regierungen ein zugehen, und keinen Weg weist, auf dem die anerkannten 
Grundsätze von Recht und Menschlichkeit in der ernsten, den Streitgegenstand 
bildenden Angelegenheit zur Geltung gebracht werden können, vielmehr im 
Gegenteil Vereinbarungen für eine teilweise Aufhebung jener Grundsätze 
vorschlägt, die diese dem Erfolg nach beseitigen würden. 
Die Regierung der Vereinigten Staaten vermerkt mit Genugtuung. 
daß die Kaiserlich Deutsche Regierung ohne Vorbehalt die Gültigkeit der 
Grundsätze anerkennt, auf denen die amerikanische Regierung in den ver- 
schiedentlichen an die Kaiserlich Deutsche Regierung gerichteten Mitteilungen 
hinsichtlich der Verkündung eines Kriegsgebiets und der Verwendung von 
Unterseebooten gegen Handelsschiffe auf hoher See bestanden hat — näm- 
lich des Grundsatzes, daß die hohe See frei ist, daß Charakter und Ladung 
eines Handeleschiffes festgestellt sein müssen, ehe es rechtmäßigerweise de- 
schlagnahmt oder zerstört werden kann, und daß das Leben von Nicht- 
kämpfern auf keinen Fall in Gefahr gebracht werden darf, es sei denn. 
daß das Schiff Widerstand leistet oder zu entfliehen versucht, nachdem es 
aufgefordert worden ist, sich der Durchsuchung zu unterwerfen. Denn die 
Vergeltungshandlung eines Kriegführenden (belligerent act of retaliation)
	        
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