Anhang in den Vereinigten Staaten von Nordameriks. (September 24.) 1337
Note der K. u. K. Regierung ausdrücklich besagt hatte, daß der Wortlaut
— aber auch nur dieser — der bezogenen Bestimmung der Bundesregie-
rung eine formale Handhabung zur Duldung des von ihren Bürgern gegen-
wärtig betriebenen Handels mit RKriegsmaterial biete. Der K. u. K. Regie-
rung lag selbstverständlich fern, dem Washingtoner Kabinett ein Abgehen
von einem geltenden Vertrag anzusinnen, sie wies nur darauf hin, daß
nach ihrem Dafürhalten jener Bestimmung nicht nur eine Auslegung ge-
geben werden sollte, die mit dem Grundgedanken und den obersten Grund-
sätzen des Neutralitätsrechtes in Widerspruch geriete. Allerdings entsteht
aus der fortschreitenden Kodifizierung des Völkerrechts die Gefahr, daß die
in schriftlichen Vereinbarungen niedergelegten Rechtssätze als das Um und
Auf des Völkerrechts angesehen und darüber dessen allgemeine Grund-
gedanken, soweit sie noch nicht in Staatsverträgen ausdrücklich fixiert wor-
den sind, übersehen werden. Dieser Möglichkeit sollte jedoch gerade in bezug
auf die Materie des Neutralitätsrechtes vorgebeugt werden, und in diesem
Sinne erscheint im Préambule der XIII. Haager Konvention (2. und 3. Ab-
satz) betont, daß die Stipulationen dieses Abkommens lediglich Fragmente
darstellen, die nicht allen Umständen, wie sie sich in der Praxis ergeben
können, Rechnung tragen und ihr Korrektiv bezw. Ergänzung finden in den
allgemeinen Prinzipien des internationalen Rechts.
Die K. u. K. Regierung hat denn auch ihre einschlägigen Darlegungen
auf das spezielle Problem eingestellt, ob die zitierte Vertragsbestimmung
nicht an diesen Prinzipien ihre Schranke finde, und sie hat, als sie sich bei
Bejahung der Frage auf die Stimmen der Wissenschaft berief, eben nur
jene Autoritäten im Ange gehabt und im Auge haben können, welche
speziell untersuchen, ob die sonst zulässige Ausfuhr von Kriegsbedarf nicht
unter Umständen eine Kompromittierung der Neutralitat involviert.
Eine Behauptung des Inhaltes, die Schriftsteller seien übereinstimmend der
Ansicht, daß Ausfuhr von Konterbande neutralitätswidrig sei, findet sich
an keiner Stelle der Note vom 29. Juni d. J. Die K. u. K. Regierung hat
ferner keineswegs einem Prinzip der Gleichmachung („Equalisation“ das
Wort geredet. In der Tat begründete sie ihre in der Frage der Ausfuhr
von Rriegsbedarf vorgebrachte Anregung nicht damit, daß sie selbst nicht
in der Lage sei, aus den Vereinigten Staaten von Amerika Kriegsmaterial
zu beziehen. Ja, sie ist der Meinung, daß der übermäßige Export von
Kriegsbedarf nicht einmal dann zulässig wäre, wenn ein solcher nach den
Ländern beider Rriegsparteien sich vollzöge. Der Gedanke, es obliege einer
neutralen Macht, den Nachteil, in dem sich Oesterreich-Ungarn infolge der
Unmöglichkeit befindet, Kriegsmaterial aus deren Gebiet zu beziehen, da-
durch wettzumachen, daß diese neutrale Macht ihren Untertanen den nor-
malen Handel mit solchen Gegenständen mit den Feinden der Monarchie
verbieten solle, hat der N. u. K. Regierung niemals vorgeschwebt. Nur da-
gegen wandte sie sich, daß das Wirtschaftsleben der Vereinigten Staaten
durch Schaffung neuer und Erweiterung bestehender Betriebe dem Zweck
der Erzeugung und der Ausfuhr von Kriegsbedarf in weitestem Umfange
dienstbar gemacht und auf solche Art sozusagen militarisiert wurde, wenn
es gestattet ist, dieses viel mißbrauchte Wort hier zu verwenden. In dieser
Konzentration so vieler Kräfte auf das eine Ziel, die Lieferung von Kriegs-
bedarf, welche, wenn auch nicht der Absicht nach, so doch tatsächlich eine
wirksame Unterstützung einer der Kriegsparteien zur Folge hat, was um
so auffälliger in die Erscheinung tritt, als der anderen Kriegspartei aus
den Vereinigten Staaten nicht einmal solche Waren geliefert werden, die
nicht Konterbande bilden, ist aber auch ein „fait nouveau“ gelegen, durch
welches der Hinweis auf vermeintliche Präzedenzfälle in anderen Kriegen