Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Auhanz zu den Vereinigzten Stasten von Uordamerika. (September 24.) 1339 
Washingtoner Kabinetts nicht zu den Aufgaben eines neutralen Staates 
gehört, seine Stellung zu den beiden Kriegsparteien möglichst ungleichartig 
zu gestalten, oder, falls eine solche Ungleichartigkeit besteht, unter keinen 
Umständen daran zu rühren. Gegenüber der Annahme der Unionsregierung, 
die Ausfuhr von Waffen und Munition verstoße nach der Meinung der 
K. u. K. Regierung gegen den letzten Absatz des Prcambule zur XIII. Kon- 
vention, darf betont werden, daß die K. u. N. Regierung ihre Stellung- 
nahme gegen die übermäßige Ausfuhr von Kriegsbedarf, wie bereits oben 
dargetan, auf den zweiten und dritten Absatz dieses Preambule gründete. 
Die Berufung auf den letzten Absatz war im Zusammenhang mit der Frage 
der illegitimen Abschließung Oesterreich-Ungarns von dem amerikanischen 
Markt gedacht und sollte zeigen, daß die Unionsregierung schon aus diesem 
Grunde zur Erlassung eines Ausfuhroerbdotes auf legislativem Wege be- 
rechtigt wäre. 
Wenn die Regierung der Vereinigten Staaten, wie es scheint, zum 
Ausdruck bringen will, es fehle der Regierung einer kriegführenden Macht 
die Legitimation, das Wort zu nehmen, wenn es sich um die Wahrung 
oder die Ausübung eines Rechtes eines neutralen Staates handelt, so er- 
klärt sich dies wohl daraus, daß das Washingtoner Kabinett den bezogenen 
letzten Absag vielleicht etwas zu restriktiv dahin auslegt, als beziehe er sich 
nur auf höchst persönliche Rechte, deren Wahrnehmung auch nach Ansicht 
der K. u. NR. Regierung selbstverständlich dem eigenen Ermessen des neu- 
tralen Staates überlasgsen bleiben muß. Der besagte Absatz hat jedoch, wie 
aus dem Bericht erhellt, den der französische Delegierte perr Renault dem 
Plenum der Haager Konferenz über die XlII. Konvention erstattet hat 
(deuxième consf. intern. de la Paixz. actes et doc. tome l. p. 328), den 
Fall der Wahrung der Neutralität im Auge, und es kann daher einem 
Kriegführenden die Befugnis nicht abgesprochen werden, unter Berufung 
auf die erwähnte Stelle an eine neutrale Regierung heranzutreten, wenn 
die Frage der Wahrung der Rechte des neutralen Staates den Rechtskreis 
des Kriegführenden tangiert. 
Mit lebhaftem Znteresse ist die K. u. K. Regierung den Ausführungen 
gefolgt, worin die Gesichtspunkte dargelegt sind, welche es dem Washingtoner 
Kabinett unabweislich erscheinen lassen, im gegenwartigen Krieg der Aus- 
fuhr von Kriegsmaterial keine Schranken zu setzen. Sie gibt jedoch die 
Hoffnung nicht auf, der Zustimmung der Bundesregierung zu begegnen, 
wenn sie bemerkt, daß diesen Gesichtspunkten rein praktischer Natur irgend- 
ein Einfluß auf die Beurteilung der Rechtslage nicht zukommt, wobei 
unsererseits ununtersucht bleiben muß, ob die Tatsache, daß die Erzeugung 
von Kriegsbedarf in den Vereinigten Staaten einen so ungeheuren Umsang 
annehmen konnte, nicht den Schluß gestatten würde, daß die Vereinigten 
Staaten, in denen alle Vorbedingungen dieser Produktion, Menschenkraft, 
Naturschätze und Kapital, in überreichem Maße gegeben sind, im Falle, 
als sie selbst Krieg zu führen hätten und die eigene Sache die Energie der 
Bürger noch steigerte, auf den Bezug von RKriegsmaterial aus dem Aus- 
land nicht angewiesen wäre. 
Im einzelnen möchte die K. u. K. Regierung noch folgendes beizufügen 
sich erlauben: Bei Anführung der vom Washingtoner Kabinett angerufenen 
Präzedenzfälle, welche jedoch, wie schon erwähnt, als solche nicht an- 
erkannt zu werden vermögen, unterstreicht die Bundesregierung das Bei- 
spiel aus dem Burenkrieg, in dessen Verlauf sich eine analoge kommerzielle 
Isolierung der einen Kriegspartei ergeben habe wie im jetzigen Rriege. 
Eine derartige Analogie kann aber in Wahrheit kaum erblickt werden, weil 
Großbritannien damals ein Handelsverbot, wie es die jetzigen rechtswidrigen
	        
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