Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Anhang ziu den Pereinigten Slasten von Vordameriks. (Dezember 14.) 1341 
großen und ganzen die hauptsächlichsten Erklärungen der Ueberlebenden, 
da sie zugibt, daß die „Ancona“, nachdem sie beschossen worden war, tor- 
pediert wurde, während sich noch Personen an Bord befanden. Die öster- 
reichisch-ungarische Regierung kennt aus der Korrespondenz zwischen den 
Vereinigten Staaten und Deutschland die Haltung der Regierung der Ver- 
einigten Staaten bezüglich des Gebrauchs von Unterseebooten zum Angriff 
auf Handelsschiffe und weiß, daß Deutschland dieser Auffassung Rechnung 
getragen hat. Trotzdem brachte der Rommandant des U-Bootes, das die 
„Ancona“ angriff, die Besatzung und die Passagiere eines Schiffes nicht in 
Sicherheit, das zu zerstören beabsichtigt war, offenbar, weil man es nicht 
als Prise in einen Hafen bringen konnte. 
Die Regierung der Vereinigten Staaten hält dafür, daß der Kom- 
mandant des U. Bootes die Grundsätze des Völkerrechts und der Menschlich- 
keit verletzte, indem er die „Ancona“ beschoß und torpedierte, ehe die Per- 
sonen an Bord in Sicherheit gebracht waren, oder ihnen genügend Zeit 
gegeben war, um das Schiff zu verlassen. 
Das Vorgehen des Kommandanten kann nur als mutwillige Tötung 
schutzloser Nichtkämpfer aufgefaßt werden, denn das Schiff leistete, als es 
beschossen und torpediert wurde, anscheinend keinen Widerstand und ver- 
suchte auch nicht zu entkommen, und keine andere Ursache wäre eine ge- 
nügende Entschuldigung für einen solchen Angriff, selbst nicht das Bestehen 
der Möglichkeit einer Rettung. Die Regierung der Vereinigten Staaten 
nimmt deshalb an, daß der Kommandant des U-Bootes entweder gegen 
seine Instruktionen handelte, oder daß die österreichisch-ungarische Regierung 
den Kommandanten der U. Boote nicht solche Instruktionen gegeben habe, 
die mit dem Völkerrecht und den Grundsätzen der Menschlichkeit überein- 
stimmen. Die Regierung der Vereinigten Staaten will nicht letzteres annehmen 
und der österreichisch-ungarischen Regierung die Absicht zuschreiben, hilflose 
Leben zu vernichten, sie glaubt eher, daß der Kommandant des U.-Bootes 
ohne Auftrag und gegen die Instruktionen, welche er erhielt, handelte. Da 
die guten gegenseitigen Beziehungen der beiden Länder auf der Beobachtung 
des Gesetzes und der Menschlichkeit beruhen müssen, kann man von den Ver- 
einigten Staaten nichts anderes erwarten, als daß sie verlangen, daß die 
Kaiserlich Königliche Regierung die Versenkung der „Ancona“ als eine un- 
gesetzliche unverantwortliche Tat bezeichne, daß der Offizier, welcher sie 
beging, bestraft, und daß Schadenersatz für die getöteten und verwundeten 
amerikanischen Bürger durch Zahlung einer Vergütungssumme geleistet werde. 
Die Regierung der Vereinigten Staaten erwartet, daß die österreichisch- 
ungarische Regierung die Schwere des Falles einsehen und allen Wünschen 
pvrompt nachkommen wird. Sie glaubt das deshalb, weil sie nicht annimmt, 
die die österreichisch-ungarische Regierung eine Handlung gutheißt und ver- 
teidigt, die von der Welt als unmenschlich und barbarisch verurteilt wird, 
allen zivilisierten Völkern schrecklich erscheint und den Tod unschuldiger 
amerikanischer Bürger verursacht hat. Lansing. 
14. Dez. Der österreichisch = ungarische Minister des Außern 
v. Burian richtet an den amerikanischen Botschafter in Wien folgende 
Antwortnote auf die Note der Vereinigten Staaten vom 9. Dez.: 
Zu der sehr geschätzten Note Nr. 4167, welche Seine Exzellenz der 
Herr außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter der Vereinigten 
Staaten von Amerika C. Frederick Penfield namens der amerikanischen 
Regierung in der Angelegenheit der Versenkung des italienischen Dampfers 
„Ancona“ unterm 9. Dezember an ihn gerichtet hat, beehrt sich der Unter-
	        
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